Recht & Urteil

Wohngebäudeversicherung: Auskunftspflicht des Mieters über bestehende Haftpflichtversicherung

In einer aktuellen Entscheidung widmet sich der Bundesgerichtshof (im Folgenden: BGH) dem Anspruch des Gebäudeversicherers gegen den Mieter auf Auskunft über das Bestehen einer Haftpflichtversicherung (Urteil vom 07.06.2023, Aktenzeichen: IV ZR 252/22). Im zugrundeliegenden Fall klagte ein Wohngebäudeversicherer gegen eine Gemeinde, die ein angemietetes Mehrfamilienhaus als Flüchtlingsunterkunft nutzte. Kleinkinder hatten mit einem Feuerzeug gespielt, infolgedessen es zu einem Brandschaden kam. Die beklagte Gemeinde war Mitglied eines nicht rechtsfähigen Vereins kommunaler Gebietskörperschaften zum solidarischen Ausgleich von Aufwendungen seiner Mitglieder für Schadenfälle (im Folgenden: KSA). Über die Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses der Gemeinde zur KSA verlangte der Wohngebäudeversicherer Auskunft. Hierzu hat der BGH folgende Feststellungen getroffen.

Wesentliche Entscheidungsinhalte

Dem Wohngebäudeversicherer steht ein Auskunftsanspruch gegen den Mieter des versicherten Gebäudes zu. Dieses folgt aus dem Sonderrechtsverhältnis zwischen Versicherer und Mieter [dazu sogleich] in Verbindung mit Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Einem möglichen Anspruch des Wohngebäudeversicherers gegen einen KSA unter analoger Anwendung der Vorschriften über den Innenausgleich der Versicherer bei einer Mehrfachversicherung steht nicht entgegen, dass sich der KSA auf der Grundlage eines Umlageverfahrens finanziert.

Hintergrund

Der BGH hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung zum sog. „versicherungsrechtlichen Modell“ zugrunde gelegt. Danach kommt der einfach fahrlässig einen Gebäudeschaden verursachende Mieter in den Genuss eines stillschweigenden Regressverzichts des Gebäudeversicherers. Aufgrund der Tatsache, dass der Mieter die Gebäudeversicherungsbeiträge über die Umlage indirekt mitbezahlt, nimmt der BGH ein Sonderrechtsverhältnis zwischen dem Gebäudeversicherer und dem Mieter an. Mit diesem Sonderrechtsverhältnis solle der Gefahr entgegengewirkt werden, dass der Mieter durch Störungen im Deckungsverhältnis zu seinem Haftpflichtversicherer zwischen die Fronten des Gebäude- und Haftpflichtversicherers gerät. Der BGH entnimmt diesen Regressverzicht einer ergänzenden Vertragsauslegung des Gebäudeversicherungsvertrags. Als Äquivalent für den Regressverzicht stehe dem Gebäudeversicherer ein Direktanspruch auf anteiligen Ausgleich gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters zu. Hierfür sei der Gebäudeversicherer aber auf Informationen des durch den Regressverzicht begünstigten Mieters über das Bestehen einer (auch nur möglicherweise eintrittspflichtigen) Haftpflichtversicherung angewiesen, die dieser unschwer erteilen könne. Mit der bereits bislang überwiegend vertretenen Meinung einiger Instanzgerichte und des Schrifttums spricht der BGH in der vorliegenden Entscheidung dem Gebäudeversicherer einen entsprechenden Auskunftsanspruch gegen den Mieter ausdrücklich zu.

Der Umstand, dass die mietende Gemeinde im vorliegenden Fall als Mitglied eines KSA „haftpflichtversichert“ ist, ändere nichts. Die Entstehung der Ausgleichspflichten der Versicherer hänge nicht davon ab, ob der Mieter eine – vom Haftpflichtversicherer im Voraus kalkulierte – feste Prämie schuldet, oder die Ausgaben des Versicherers innerhalb der Versicherungsperiode nachträglich nach einem festgelegten Schlüssel auf die Versicherungsnehmer verteilt werden. Eine sich aus der Umlage ergebende mittelbare Belastung des einen Schaden am Gebäude durch leichte Fahrlässigkeit verursachenden Mieters stehe einer Anwendung der Grundsätze über den Regressverzicht des Gebäudeversicherers nicht entgegen.

Einordnung

Die Sparte Wohngebäudeversicherung war in den zurückliegenden Jahren für die Versicherer regelmäßig defizitär. Regressoptionen sind daher wirtschaftlich bedeutsam zur Begrenzung der Schadenlast und letztlich zur Abmilderung von Beitragsanpassungen.

Mit dem vorliegenden Urteil flankiert der BGH seine bisherige Rechtsprechung zum Mieterregress mit einem Auskunftsanspruch des Gebäudeversicherers gegen den Mieter über das Bestehen und die Inhalte einer Haftpflichtversicherung – gegebenenfalls auch in Gestalt eines KSA. Es erleichtert die Regressführung des Wohngebäudeversicherers, wenn keine Zweifel mehr an einer entsprechenden Auskunftspflicht des Mieters bestehen.

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