Recht & Urteil

Strenge Wiederherstellungsklausel vs. Gestalterische Freiheit

Im Falle des Totalschadens einer Immobilie drängt sich dem einen oder anderen Eigentümer durchaus der Gedanke auf, das bisherige Domizil in veränderter Form wiederaufzubauen. Dieser eigentlich verständliche Wunsch kann jedoch je nach dem zugrunde liegenden Versicherungsvertrag zu erheblichem Ärger mit dem Gebäudeversicherer führen, wie eine jüngst ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 20. April 2016, Az.: IV ZR 415/14) exemplarisch belegt.

 

Der Kläger dieses Rechtsstreits unterhielt bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert. Nachdem sein Haus am 14. Dezember 2010 niedergebrannt war, regulierte die Beklagte den Zeitwertschaden in Höhe von 134.501,59 EUR. Der Kläger begann daraufhin binnen einer Frist von drei Jahren mit dem Wiederaufbau seines Hauses, welches jedoch aufgrund vergrößerter Wohnfläche und einer angebauten Garage eine um ca. 37 % größere Grundrissfläche als das zerstörte Haus aufwies. Als der Kläger nun die sogenannte Neuwertspitze, also den Differenzbetrag zwischen Zeitwert und Neuwert des Gebäudes, von der Beklagten forderte, erlebte er jedoch eine böse Überraschung. Die Beklagte verweigerte die Zahlung des Neuwertanteiles mit der Begründung, die Sicherstellungsvoraussetzungen des § 28 (7) VGB 2010 seien nicht erfüllt, insbesondere im Hinblick darauf, dass da neu errichtete Gebäude wegen der Vergrößerung der Grundfläche um 37 % wesentlich von dem untergegangenen Gebäude abweiche und deshalb nicht von gleicher Art und Zweckbestimmung sei, wie von der Klausel der VGB 2010 gefordert. Die daraufhin vom Kläger vor dem Landgericht erhobene Klage wurde abgewiesen, während das zweitinstanzlich angerufene OLG dieser stattgab.

Der von der beklagten Versicherungsgesellschaft in der Revision angerufene BGH hob die OLG-Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das OLG. Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass der Versicherungsvertrag eine sogenannte strenge Wiederaufbauklausel enthielt, deren Zweck darin bestünde, die dem Versicherungsnehmer über den Zeitwert hinaus entstehenden höheren Kosten auszugleichen, die dem Versicherungsnehmer durch den Wiederaufbau des Gebäudes entstünden. Nicht gedeckt sei von der Neuwertentschädigung eine wesentliche Verbesserung des bisherigen Gebäudes bei der Wiedererrichtung. Der BGH postuliert hier, dass eine derartige Bereicherung des Versicherungsnehmers im Schadenfall zu vermeiden sei, auch um das Interesse am Untergang des versicherten Gebäudes nicht zu fördern (BGH a.a.O., Rdnr. 11). Damit dient die Wiederherstellungsklausel der Beschränkung auf die ungeplanten, dem Versicherungsnehmer durch den Schadenfall aufgezwungenen Kosten, die durch den Neubau der versicherten Immobilie zwangsweise anfallen.

Während das OLG der Ansicht war, dem Erfordernis der Wiederherstellung des Gebäudes in annähernd der gleichen Größe sei im Streitfall dadurch genügt, dass der Kläger nur die Neuwertspitze bezogen auf den Wert des abgebrannten Hauses unter Berücksichtigung des Wertgutachtens des eingeschalteten Sachverständigen und unter Berücksichtigung der darin festgestellten und auch unstreitigen Unterversicherung verlangt hatte, rügte der BGH, dass damit nur die objektive Bereicherung des Klägers ausgeschlossen worden sei. Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel sei es darüber hinaus aber,das subjektive Risiko des Versicherers zu begrenzen, welches bei Entscheidungsfreiheit des Versicherungsnehmers über den Wiederaufbau sich sonst erheblich erhöhen würde. Da aufgrund der abweichenden rechtlichen Einschätzung des OLG dem Umstand, ob das neu aufgebaute Gebäude von gleicher Art und Zweckbestimmung wie das niedergebrannte Haus des Klägers sei, keine Bedeutung beigemessen wurde, verwies der BGH den Rechtsstreit zur abschließenden Verhandlung und Sachverhaltsaufklärung an das OLG zurück.

Diese für den Versicherungsnehmer unerwünschte Konsequenz der doch erheblichen Einschränkung seiner Möglichkeiten für den Wiederaufbau des Gebäudes lässt sich nur durch entsprechend modifizierte Versicherungsbedingungen umgehen, in denen eine weite Wiederaufbauklausel vereinbart werden sollte des Inhalts, dass die Neuwertentschädigung selbst dann gezahlt wird, sofern der Wiederaufbau auch an anderer Stelle und in abweichender Bauart erfolgt. Sinnvolle Maklerbedingungen sehen darüber hinaus selbst dann die Neuwertentschädigung vor, sofern nur eine Verwendung der Entschädigungszahlung im Betriebsvermögen erfolgt, so dass dem Versicherungsnehmer sämtliche Gestaltungsrechte verbleiben.