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Wiederherstellungsklausel - Neues Zeitalter zur Beurteilung der Wiederherstellungs-voraussetzungen?

Ein Thema, das sich regelmäßig in der Rechtsprechungsdatenbank zur Wohngebäudeversicherung tummelt, ist die Höhe der Entschädigungsleistung. Nach der sogenannten strengen Wiederherstellungsklausel erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf die den Zeitwert übersteigende Neuwertentschädigung erst / nur, wenn er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sicherstellt, mit der Entschädigung ein Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wie das zerstörte am bisherigen Ort wiederherzustellen.

Doch wann fällt ein in der Errichtung befindliches neues Gebäude aus diesem Rahmen? Wann sind die Anforderungen „gleiche Art und Zweckbestimmung“ überstrapaziert, so dass kein Anspruch auf Auszahlung der Neuwertspitze besteht?

Mit dieser Beurteilung ist die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren recht großzügig verfahren (z. B. BGH, Urteil vom 20.4.2016 - IV ZR 415/14; OLG Dresden, Urteil vom 29.5.2018 - 4 U 1779/17; OLG Frankfurt, Urteil vom 8.7.2004 - 3 U 130/03): Dient das neue ebenso wie das zerstörte Gebäude der Nutzung zu Wohnzwecken, dann führt weder eine abweichende noch eine modernere Bauweise zu einer Qualifizierung als Gebäude anderer Art. Ebenso dürfe ein altes eingeschossiges Gebäude zweigeschossig wiederhergestellt werden. Auch eine Vergrößerung der Grundfläche um circa 37% und der Wohnfläche um circa 47% wurde von den Gerichten unbeanstandet gelassen.

Urteil des Oberlandlandesgericht Schleswig setzt neue Maßstäbe

Ein aktuell veröffentlichtes Urteil des Oberlandesgericht Schleswig setzt nun neue Maßstäbe, und zwar im Hinblick auf den Nachweis, die Wiederherstellung fristgerecht sicherzustellen (OLG Schleswig, Urteil vom 18.11.2019 - 16 U 22/19). Im vorliegenden Fall war das Gebäude am 30.8.2012 bis auf die Grundmauern abgebrannt; der Gesamtschaden betrug rund 71.000 € (Zeitwert des Gebäudes rund 25.000 €, Neuwertanteil rund 46.000 €). Der Versicherer hatte den Zeitwert ausgekehrt, die Zahlung des Neuwertanteils jedoch verweigert. Der Versicherungsnehmer legte innerhalb der maßgeblichen Frist (bis 30.8.2015) die Baugenehmigung nebst dazugehöriger Bauantragsunterlagen vor und ließ Bodenarbeiten in Form der Errichtung eines Fundaments durchführen. Dies allein, so die Richter, biete dem Versicherer aber keine hinreichende Grundlage zur Prüfung der Voraussetzungen der Wiederherstellungsklausel. Die 3-Jahres-Frist sei eine verbindliche Ausschlussfrist, innerhalb der ein Nachweis über die Sicherstellung der Wiederherstellung nicht erbracht wurde. Schon allein deshalb bestehe kein Anspruch auf die Auszahlung der Neuwertentschädigung.

Die Richter gingen noch weiter und urteilten, dass es zudem an der Gleichartigkeit der beabsichtigten Wiederherstellung fehle. Dies ergebe sich zunächst aus einem Vergleich der Größe des zerstörten und des geplanten Gebäudes: Ausweislich der Baugenehmigung war der Rauminhalt mit einer Größe geplant, durch die sich der ursprüngliche Rauminhalt um 55 % vergrößert hätte. Damit würde das Gebäude in seiner Gesamtheit wesentlich vergrößert und dies gehe in aller Regel über Modernisierungsmaßnahmen, die von einer Neuwertentschädigung abgedeckt sein können, hinaus.

Aber auch im Hinblick auf die Zweckbestimmung dürfte es an der erforderlichen Gleichartigkeit fehlen: Zerstört worden waren ursprünglich aneinandergereihte einzelne Nebengebäude, beantragt war aber die Errichtung einer alleinstehenden Mehrzweckhalle. Die Nebengebäude wurden vor dem Brand nur teilweise zur Lagerung von alten Baustoffen genutzt, hatten offen gestanden und weder über Wasser noch Strom verfügt. Die Verwendungsmöglichkeiten des beabsichtigten Neubaus gingen im Vergleich hierüber weit hinaus.

OLG Schleswig hat neue Impulse gesetzt

Der Leitsatz des Urteils lautet: „Verhält sich die Baugenehmigung für den Wiederaufbau des abgebrannten Gebäudes zu einem erheblich größeren Objekt als es bei Schadenseintritt vorhanden war und ist bei Ablauf der dreijährigen Wiederherstellungsfrist lediglich das Fundament fertiggestellt, ist eine Neuwertentschädigung auch dann nicht geschuldet, wenn später aufgrund einer geänderten Baugenehmigung doch nur ein kleineres Objekt wiederhergestellt wird.“ Wird hierdurch ein neues Zeitalter zur Beurteilung der Wiederherstellungsvoraussetzungen eingeläutet? Dies bleibt abzuwarten; jedenfalls hat das OLG Schleswig neue Impulse gesetzt, welche die Rechtsprechung in näherer Zukunft zu berücksichtigen haben wird.

Hier zeigt sich einmal mehr, dass sich im Schadenfall risikoadäquat ausgehandelte Versicherungskonzepte bewähren. Unsere AVW-Wordings beinhalten sehr großzügige Wiederherstellungsklauseln zugunsten des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Entschädigungsverwendung, so dass Sie sich nicht der Willkür der Gerichte ausgesetzt sehen müssen. Wenn Sie mehr erfahren wollen, wenden Sie sich gerne an Ihren Ansprechpartner.