Recht & Urteil

Wer zu spät kommt…(den bestraft der BGH)

Bereits zum 1. Januar 2008 trat das reformierte Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Kraft mit der Besonderheit, dass ab dem 1. Januar 2009 gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG (Einführungsgesetz zum Neuen VVG) dessen Bestimmungen auch auf Altverträge, die vor dem 1. Januar 2008 geschlossen wurden, anwendbar sind. Nun gibt es nach wie vor säumige Versicherer, die ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen noch nicht an das geltende neue Recht angepasst haben. Diese wurden vermittels einer BGH-Entscheidung vom 12. Oktober 2011 jedoch nachdrücklich „aufgeweckt“ (Az.: IV ZR 199/10).

Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Kläger war der Zwangsverwalter einer Immobilie, die bei der beklagten Versicherungsgesellschaft über eine „Wohngebäude-Vielschutz-Versicherung“ auf Basis der VGB 88 (Allgemeine Wohngebäudeversicherung-Versicherungsbedingungen, Fassung Januar 1995) versichert war. Im Januar 2009 kam es in der Immobilie zu einem Leitungswasserschaden. Zu diesem Zeitpunkt stand das Gebäude leer, die Heizungsanlage war unstreitig nicht entleert worden. Der Kläger begehrte daraufhin von der Beklagten Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 6.200,00 EUR.

 
Obliegenheiten verletzt

Der Versicherer erklärte sich nach einer Ortsbesichtigung im Mai des Jahres jedoch nur bereit, die Hälfte der anfallenden Kosten zu übernehmen. Er begründete seine teilweise Ablehnung damit, dass der Kläger seine vertraglichen Obliegenheiten verletzt habe. In dem zugrundeliegenden Versicherungsvertrag hieß es dazu unter „§ 11 Sicherheitsvorschriften“:

Der Versicherungsnehmer hat…nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten;
In der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und diese genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten.

Bei Verletzung einer dieser Obliegenheiten war der Versicherer gemäß § 11 Ziff. 2 der Sicherheitsvorschriften zur Kündigung des Vertrages berechtigt oder vollständig leistungsfrei.

Da die Beklagte dem Kläger vorhielt, gegen seine vertraglichen Obliegenheiten verstoßen und grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeigeführt zu haben, wäre sie gemäß der Vertragsbestimmungen theoretisch berechtigt gewesen, die Regulierung des Schadens vollständig abzulehnen. Dessen ungeachtet beabsichtigte sie mit Zahlung des hälftigen Schadens offenbar eine Regulierung auf Basis des aktuellen § 28 Abs. 2 VVG, demzufolge bei grob fahrlässiger Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit eine Kürzung der Entschädigung entsprechend dem Grad des Verschuldens zulässig ist.

   
BGH lehnt ab

Diese quasi automatische Anpassung an das neue VVG ließ der BGH jedoch eben so wenig wie das erstinstanzlich angerufene LG Köln gelten. Er begründete dies damit, dass die dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Sanktionen gemäß § 11 VGB 88 zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den Bestimmungen des neuen VVG abwichen, was gemäß § 32 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 VVG neuer Fassung unzulässig sei. Dieser Verstoß gegen das neue Versicherungsvertragsgesetz führe gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit der Regelung des § 11 der Sicherheitsvorschriften des Vertrages, da die Abweichung von der halbzwingenden Norm des § 28 Abs. 2 VVG eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers sei. Die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung oder aber einer geltungserhaltenden Reduktion, wie sie im Schrifttum in solchen Fällen teilweise befürwortet werden, lehnte der BGH ab.

Er begründete dies u.a. damit, dass den Versicherern spätestens mit Verkündung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts im November 2007 bekannt war, dass ab dem 1. Januar 2009 das neue VVG auch auf Altverträge anwendbar sein würde. Damit war klar, dass die an § 6 VVG alter Fassung orientierte Klausel über die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten im Hinblick auf die verbraucherfreundlichere Regelung des § 28 VVG neuer Fassung unwirksam sein würde. Folglich fehlte es dem Vertrag an einer – gemäß § 28 VVG n.F. explizit zu vereinbarenden - Regelung hinsichtlich der Rechtsfolgen etwaiger Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers, so dass der Versicherer aufgrund dessen verpflichtet war, dem Kläger den vollständigen Schaden zu ersetzen.
             

Expertenrat einholen

Im vorliegenden Fall war das Versäumnis des Versicherers, seine Vertragsbedingungen beizeiten an das neue VVG anzupassen, aus Sicht des Kunden ein durchaus glücklicher Umstand. Dennoch wären Versicherungsnehmer schlecht beraten, veraltete Policen fortzuführen in der Hoffnung, dass die nicht mehr VVG-konformen Regelungen dieser Altverträge sich im Schadenfall wegen möglicher Verstöße gegen das AGB-Recht zu ihren Gunsten auswirken könnten. Zwecks Vermeidung langwieriger gerichtlicher Auseinandersetzungen über Art und Umfang der Schadenregulierung empfiehlt es sich, Versicherungsschutz über einen spezialisierten Makler zu beschaffen, der nicht nur einen nach den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers optimierten Versicherungsschutz beschaffen kann sondern auch im Schadenfall beratend und unterstützend zur Seite steht.