Recht & Urteil

Wer den Schaden hat, darf auch den des Nachbarn zahlen …

Es ist eine Binsenweisheit, dass der Frömmste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Aber auch wenn der Nachbar eigentlich nicht böswillig ist besteht die Gefahr, dass von ihm bzw. seinem Eigentum Immissionen herrühren, die der Nachbar zwar nicht dulden muss, diese aber dennoch nicht abwehren kann.

So verhielt es sich in einem kürzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall, wo ein im Eigentum des Ehemannes der Beklagten stehendes Reihenhaus, welches von den Eheleuten gemeinsam mit ihrem Sohn bewohnt wurde, in Brand geriet. Infolge dessen wurden auch die angrenzenden Nachbarhäuser beschädigt (Az: V ZR 193/10).

Der Gebäudeversicherer der beschädigten Nachbarhäuser (Kläger) wiederum zahlte deren Eigentümern eine Neuwertentschädigung in Höhe von knapp 80.000 EUR, und verlangte von der Beklagten aus übergegangenem Recht die Erstattung des Zeitwertes von ca. 63.000 EUR. Während die Klägerin vor dem Land- sowie Oberlandesgericht mit ihrer Klage abgewiesen wurde, fand sie beim BGH Gehör und obsiegte in vollem Umfang.

Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass der Klägerin ein auf sie übergegangener nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 67 VVG aF, Art. 1 Abs. 2 EGVVG zustände. Diese analoge Anwendung der nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüche hat der BGH auch in der Vergangenheit schon konsequent betrieben, so etwa im Falle eines Brandschadens an Nachbarhäusern aufgrund eines technischen Defektes an Elektroleitungen (so z.B. BGH NJW 2008, 992) als auch im Fall von Nachbarschäden in Folge eines Rohrleitungsbruches auf dem Nachbargrundstück (so z.B. BGHZ 155, 99).

 

Grenze zur bloßen Gefährdungshaftung überschritten

Dies ist in der Fachliteratur nicht ohne Kritik geblieben mit der Begründung, damit werde die Grenze zur bloßen Gefährdungshaftung überschritten, was vom BGH jedoch mit der Argumentation zurückgewiesen wurde, dass es in diesen Fällen eben nicht um eine Haftung für Schäden ginge, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen seien, sondern vielmehr um eine Haftung für rechtswidrige Störungen aus einer grundsätzlich bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung, die von den beeinträchtigten Nachbarn aus tatsächlichen Gründen nicht abgewehrt werden könne.

Erforderlich für das Bestehen eines Ausgleichsanspruches ist demnach, dass den Eigentümer oder Nutzer nach den Grundsätzen des Nachbarrechts eine Handlungspflicht trifft, er also zurechenbar den störenden Zustand herbeigeführt hat (BGH a.a.O.).

Eine zusätzliche Komplikation erfuhr der entschiedene Fall dadurch, dass Beklagte nicht etwa der Eigentümer des Reihenhauses sondern dessen – dort ebenfalls wohnende – Ehefrau war. Jedoch sah der BGH auch dies nicht als problematisch an und begründete die Inanspruchnahme der Ehefrau damit, dass Schuldner des Ausgleichsanspruches derjenige sei, der die Nutzungsart des Grundstücks mitbestimme, von welchem die schädigende Einwirkung ausginge. Dies müsse nicht zwingend der Eigentümer sein, vielmehr kämen auch sonstige dingliche Besitzer wie Mieter oder Pächter in Frage.

Da im vorliegenden Fall sowohl ein technischer Defekt als auch eine fahrlässige Handlung der Beklagten als Ursache des Brandes in Betracht kamen, bejahte der BGH auch die Störereigenschaft mit der Rechtsfolge der Verurteilung der Beklagten zum Ersatz des Zeitwertschadens.

  

Zahlt denn die Haftpflicht?

Damit stellt sich die Frage, wie denn die Eintrittspflicht einer vorhandenen Haftpflichtversicherung in dieser Konstellation zu beurteilen wäre, da der dieser Entscheidung zugrunde liegende nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) nicht gedeckt ist. Denn dort ist explizit nur der Fall der Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts als versicherter Tatbestand genannt. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gemäß § 906 BGB wäre demnach nicht vom Deckungsschutz der Haftpflichtversicherung umfasst.

Jedoch hat der BGH auch zu diesem Thema schon Stellung bezogen und in einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 (Az: V ZR 377/98) festgestellt, dass der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB dann einem Schadensersatzanspruch im Sinne des § 1 AHB gleichsteht, wenn die Einwirkung zu einer Substanzschädigung geführt hat, so dass ein Eigentümer jedenfalls in diesen Fällen Haftpflichtversicherungsschutz genießt.

Noch günstiger ist es natürlich, wenn die Haftpflichtdeckung von vornherein eine bedingungsgemäße Erweiterung dahingehend erfahren hat, dass nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche mitversichert gelten, was aber ein gewisses Standing des Maklers gegenüber dem Versicherer erfordert.