Leitungswasserschäden

Wenn Wasser durch die Wand gelangt... Vom Umfang der Leitungswasserversicherung

Wenn Wasserschäden sich auf ungewöhnliche Art und Weise manifestieren ist meist der Ärger mit dem Gebäudeversicherer vorprogrammiert. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Streit so eskaliert, dass die Gerichte angerufen werden. In solchen Fällen kann man nur hoffen, dass der Schadenfall sich in dem Zuständigkeitsbezirk des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig befindet, welches in seiner Auslegung von Versicherungsbedingungen immer wieder ein Herz für Versicherungsnehmer zeigt (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 11. Juni 2015, Az.: 16 U 15/15).

 

 

Der Kläger dieses Rechtsstreits unterhielt für sein Wohnhaus bei der beklagten Versicherungsgesellschaft seit 1995 eine Wohngebäudeversicherung. Bei Renovierungsarbeiten des im Erdgeschoß gelegenen Badezimmers bemerkte er beim Abschlagen der wandhohen Fliesen Durchfeuchtungen der dahinter liegenden Wand, welche er auf Anraten einer sofort hinzugezogenen Fachfirma auch unverzüglich seinem Gebäudeversicherer anzeigte. Nachdem die Wanne ausgebaut und die Fliesen vollständig entfernt waren besichtigte der eingeschaltete Sachverständige das Bad und kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die Durchfeuchtungen der Wand auf altersbedingten Verschleiß der dauerelastischen Fuge im Anschlussbereich zwischen Badewanne und Wand zurückzuführen seien. Die Kosten der Reparatur bezifferte er mit netto 6.515,00 EUR.

Daraufhin lehnte die beklagte Versicherungsgesellschaft die Regulierung des Schadens mit der Begründung ab, der Schaden sei durch (nicht versichertes) Plansch- und Spritzwasser entstanden und eine genaue Untersuchung des Schadens sei durch den vor Besichtigung erfolgten Rückbau des Badezimmers ohnehin nicht mehr möglich gewesen. Im Übrigen lasse sich aus der Tatsache, dass von dem Kläger eingeräumt worden sei, dass die Durchfeuchtung sich erst in einer Höhe von 30 bis 40 cm über dem Badewannenrand gezeigt habe, ableiten, dass die Silikonverfugung ohnehin nicht schadenursächlich gewesen sein könne.

Dieses Vorbringen bestritt der Kläger und hob auf den Defekt der Silikonfuge ab. Die Beklagte trug darauf vor, Wasser sei aus der Handbrause auf die Fensterumrandung gelangt und von dort aus in die Wand eingedrungen. Da weder Fensterbank noch Wände im Sinne der Versicherungsbedingungen zu den mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen zählten, handele es sich um einen nicht versicherten Schadenfall. Außerdem greife ein weiter Ausschlusstatbestand, da sämtliche Bauteile mit Schwamm befallen gewesen seien. Schließlich habe der Kläger auch mit dem sofortigen Rückbau seine versicherungsvertraglichen Obliegenheiten verletzt und habe ferner das Bad auch nicht in gleicher Art und Zweckbestimmung wieder aufgebaut.

Das erstinstanzlich angerufene Landgericht Lübeck wies die Klage ab, worauf der Kläger Berufung vor dem OLG Schleswig einlegte, wo er mit seiner Argumentation auf Gehör stieß. Das OLG stellte zunächst fest, dass es sich um einen Leitungswasserschaden gehandelt habe, unabhängig davon, ob der Wassereintritt durch die Silikonfuge oder aber durch die Fliesen erfolgt sei. Das OLG setzte sich dabei dezidiert mit den unterschiedlichen Meinungen der Rechtsprechung zu derartigen Schadenszenarien auseinander. Während ein Teil der Gerichte davon ausgeht, dass Wasser, welches beim Duschen in die Wände o.ä. gelange, nicht bestimmungswidrig ausgetreten sei, da es vielmehr bestimmungsgemäß den Duschkopf verlassen habe (so. z.B. LG München, VersR 2010, 1180; AG Aachen, Urteil vom 10. Juli 2013), liegt nach der Gegenmeinung auch in einem solchen Fall ein versicherter Schaden vor, da das Wasser jedenfalls bestimmungswidrig in die Wand gelangt sei ( OLG Frankfurt; VersR 2010, 1641; LG Hamburg RuS 2013, 610, Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., E 1 Rn 36).

Dieser Auffassung schloss sich auch das OLG an und legte in diesem Kontext auch die Versicherungsbedingungen aus. Es argumentierte damit, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, der die Versicherungsbedingungen aufmerksam und verständig lese, davon ausgehen werde, dass ihn seine Wohngebäudeversicherung gerade im Hinblick auf Leitungswasserschäden vor allen Gefahren schützen wolle, die für sein Haus dadurch geschaffen würden, dass dort für die täglichen Bedürfnisse Wasser in Leitungen einer Verbrauchsstelle zugeführt und von dort in Ableitungen wieder weggeführt werde (OLG a.a.O., RN 27).

Auch die von der Beklagten angeführten Obliegenheitsverletzungen sowie der Schwammbefall vermochten das OLG nicht umzustimmen, so dass dem Kläger letztlich die Neuwertspitze als Nettoentschädigung zugesprochen wurde, da der Kläger keine Reparaturbelege vorgelegt hatte, von daher auch keinen Ersatz der Mehrwertsteuer geltend machen konnte.

Mit dieser Entscheidung hat das OLG Schleswig die eingeschlagene Linie einer restriktiven Auslegung der Versicherungsbedingungen als AGB zu Lasten der Versicherungsgesellschaften fortgeführt, welche davor schon in einer richtungsweisenden Entscheidung zum versicherungsübergreifenden Leitungswasserschaden (OLG Schleswig, Urteil vom 19. Februar 2015, Az.: 16 U 99/14) eingeschlagen wurde. Während in diesem Urteil das OLG aufgrund Dissenses zu einer gleich gelagerten Entscheidung des OLG Celle noch die Revision zum BGH zugelassen hatte, wurde dies im vorliegenden Fall verneint mit der Begründung, das Bedürfnis zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bestünde nicht, da der Senat mit seiner Entscheidung von der bislang einzigen vergleichbaren obergerichtlichen Entscheidung des OLG Frankfurt nicht abgewichen sei.


Aus Versicherungsnehmersicht ist die Klarheit der Auslegung der Versicherungsbedingungen durch den Senat natürlich sehr zu begrüßen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die eine oder andere Versicherungsgesellschaft im Schadenfall mit großer Kreativität versucht, die Messlatte für die Regulierung eines Versicherungsschadens immer höher zu legen.