Leitungswasserschäden

Versicherer-Wechsel und Leitungswasserschäden

Bislang standen Versicherungsnehmer vor großen Problemen, wenn Sie einen Schadenfall erlitten, welcher sich zeitlich nicht genau konkretisieren ließ und sie zwischenzeitlich ihren Versicherer gewechselt hatten. Bei derartigen Szenarien pflegten sich die beteiligten Versicherer oftmals hintereinander zu verstecken, so dass am Ende der Versicherungsnehmer ein Opfer der ihm obliegenden Beweislast wurde und auf dem Schaden sitzen blieb. In diesem Sinne urteilte zuletzt auch das OLG Celle (Urteil vom 10. Mai 2012, Az.: 8 U 213/11).

 

Diese bisherige und unter prozessualen Aspekten auch konsequente Rechtsprechung hat in jüngster Zeit eine überraschende und versicherungsnehmerfreundliche Wendung erfahren. Das OLG Schleswig entschied in einem Urteil vom 19. Februar 2015, dass der aktuelle Gebäudeversicherer für einen unstreitig erst während der Laufzeit des Versicherungsvertrages zutage getretenen Leitungswasserschaden eintrittspflichtig ist und zwar auch dann, wenn die Schadenursache – für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar – möglicherweise schon vor Beginn des Versicherungsvertrages gesetzt wurde (Az.: 16 U 99/14).

Dieser bemerkenswerten Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der klagende Versicherungsnehmer erwarb Anfang 2013 ein Mehrfamilienhaus. Zum 02.01.2013 schloss er unter Aufhebung der bislang für die Immobilie bestehenden Versicherungspolice bei der beklagten Versicherung eine Verbundene Wohngebäudeversicherung ab, welcher die VGB 2008 (Bedingungen für die Verbundene Wohngebäudeversicherung) zugrunde lagen. Im August des Jahres platzte ein zum Heizkessel führendes Wasserrohr, wodurch Leitungswasser in darunter liegende Räumlichkeiten drang. Der Versicherer beauftragte nach Meldung des Schadens durch den Kläger einen Sachverständigen, der feststellte, dass aufgrund einer korrodierten Vorlaufleitung der Heizung kontinuierlich Wasser auf das defekte Rohr getropft war, welches die Korrosion und schlussendlich das Platzen des Rohres verursacht hatte. Da der Sachverständige folgerte, dass dies ein länger währender Prozess gewesen sei, lehnte die beklagte Versicherung die Regulierung des Schadens mit der Begründung ab, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das schadenstiftende Ereignis vor Beginn der Laufzeit des Versicherungsvertrages gelegen habe. Auch die Vorversicherung lehnte die Schadenregulierung ab mit der Behauptung, der Schaden sei nicht während der versicherten Zeit entstanden.

Das erstinstanzlich angerufene Landgericht (LG) wies die Klage des Versicherungsnehmers auf Zahlung des Schadens in Höhe von über 10.000 EUR nebst vorgerichtlicher Kosten ab und begründete seine Entscheidung damit, der Kläger habe nicht beweisen können, dass der Versicherungsfall nach dem 02.02.2013 eingetreten sei. Versichertes Ereignis sei nach § 3 Nr. 3 VGB 2008 der bestimmungswidrige Austritt von Leitungswasser aus der Vorlaufleitung der Heizungsanlage, dessen Zeitpunkt der Versicherungsnehmer nicht habe beweisen können.

Dieser Sicht der Dinge wollte sich das zweitinstanzlich angerufene OLG nicht anschließen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass das vom LG angenommene Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer bei einem Versichererwechsel weder vom aktuellen noch vom vorigen Versicherer Ersatz verlangen kann, wenn sich nicht feststellen lässt, wann der Wasserschaden seinen konkreten Anfang in Gestalt erstmalig bestimmungswidrig austretenden Wassers genommen hat, unbefriedigend sei. Eine derartige Deckungslücke dürfe es gerade in der oftmals existenziell wichtigen Gebäudeversicherung nicht geben, so dass die Klauseln der VGB über Leitungswasserschäden dahingehend auszulegen seien, dass der Versicherer für alle Schäden haftet, die während der Vertragslaufzeit erkennbar werden, auch wenn die eigentliche Schadensursache für den VN nicht erkennbar schon vor Vertragsbeginn gesetzt wurde, wie im vorliegenden Fall.

Zur Begründung dieser Vertragsauslegung berief sich das OLG auf die ständige Rechtsprechung des BGH, der zufolge Versicherungsbedingungen so auszulegen seien, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Kenntnisse, der diese aufmerksam und verständig und auch mit Rücksicht auf seine eigenen Interessen liest, verstehen muss. Das OLG argumentierte damit, dass dieser durchschnittliche VN von der „Theorie des ersten Tropfens“ oder von einem „zweigliedrig zu denkenden Schadenfall“ nichts wisse und auch nichts wissen müsse. Dieser durchschnittliche Versicherungsnehmer rechne nicht damit, dass sein Versicherer leistungsfrei sein solle, weil der Beginn des Schadens für ihn unerkennbar in der Vergangenheit liege, da Wasserschäden, was hinlänglich bekannt sei, oftmals einen langen Vorlauf hätten und der eigentliche Wasserschaden erst Monate oder gar Jahre später zutage träte. Da das Bedingungswerk VGB 2008 zu dieser Problematik nichts hergebe, läge nahe, dass die dort unspezifiziert als Zerstörungen oder Beschädigungen durch Leitungswasser beschriebenen Szenarien den konkret realisierten Schaden beschreiben sollten, ohne dass es auf den erstmaligen Austritt von Leitungswasser ankomme.

Damit behilft sich das OLG mit einer restriktiven Auslegung der Versicherungsbedingungen als AGB, was aus Sicht des klagenden Versicherungsnehmers sicherlich hocherfreulich, prozessual im Hinblick auf die Beweislastverteilung, die bislang von der Rechtsprechung zur Entscheidungsgrundlage gemacht wurde, allerdings nicht frei von Bedenken ist. Da das OLG natürlich den Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des OLG Celle gesehen hat, hat es die Revision zum BGH ausdrücklich zugelassen. Es dürfte interessant sein, ob der unterlegene Versicherer den Weg zum BGH wählt.