Recht & Urteil

Unterversicherung und Aufklärungspflichten

So mancher Hausbesitzer dürfte sich bei Abschluss einer Wohngebäudeversicherung verwundert die Augen gerieben haben, wenn der Versicherer den Neubauwert der versicherten Immobilie auf Basis des sogenannten Versicherungswertes 1914 dokumentiert. Dieser Wert wird in den Versicherungsbedingungen für die Gebäudeversicherung als der ortsübliche Neubauwert des Gebäudes entsprechend seiner Größe und Ausstattung sowie seines Ausbaus, ausgedrückt in den Preisen des Jahres 1914, definiert. Hierzu zählen auch Architektengebühren sowie sonstige Planungs- und Konstruktionskosten. Auch die Baupreise an dem Ort, an dem die versicherte Immobilie belegen ist, fließen in die Ermittlung ein. Zur Errechnung des „Versicherungswertes 1914“ wird dann der Gegenstandswert unter Heranziehung der Indexzahlen für die Gesamtbaupreise auf das Jahr 1914 heruntergerechnet.

Entschädigung um die prozentuale Unterversicherung gekürzt

Es liegt auf der Hand, dass ein doch relativ komplexes Wertermittlungsverfahren wie das eingangs geschilderte von einem Laien kaum durchgeführt werden kann. Die Versicherer machen es sich leicht und schieben die Verantwortung für die Wertermittlung in der Regel von sich und weisen diese dem  Versicherungsnehmer zu. Andererseits scheuen viele Bauherren die Kosten, die mit der Beauftragung eines Gebäudesachverständigen zum Zwecke der Wertermittlung verbunden sind. Diese Unterlassung bleibt auch solange unkritisch wie es nicht zu einem Schadenfall kommt. Wird dann ein Sachverständiger von dem Gebäudeversicherer mit der Begutachtung des Schadens beauftragt und dieser stellt einen höheren Wert des Gebäudes fest als in der Police dokumentiert, liegt ein Fall der sogenannten Unterversicherung vor. Die Konsequenz hieraus ist, dass der Versicherer die gesamte Entschädigung um die prozentuale Unterversicherung kürzt.

Ein solcher Fall lag auch einer jüngst vom Bundesgerichtshof entschiedenen Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde (Beschluss vom 03. Februar 2011, Az IV ZR 171/09). Dort hatte der Kläger sein Wohnhaus bei der beklagten Versicherungsgesellschaft zum Neuwert auf der Basis der Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschäden (VGB 62) sowie den Sonderbedingungen der Beklagten versichert.

Als es in dem Haus des Klägers zu einem Feuerschaden kam, ermittelte der von der Beklagten beauftragte Sachverständige einen Neuwert1914 von 38.500 Mark. In der Versicherungspolice war demgegenüber ein Neubauwert 1914 von 30.000 Mark dokumentiert. Dementsprechend kürzte die Versicherung sowohl den Neuwertschaden als auch den Mietausfallschaden entsprechend. Mit dieser Entschädigung gab sich der Kläger jedoch nicht zufrieden und zog dagegen vor Gericht und zwar durch die Instanzen bis zum BGH.

Dort fand er Verständnis für sein Vorbringen, der Versicherungsagent der Beklagten habe ihn bei Abschluss des Vertrages nicht auf die Gefahren einer Unterversicherung hingewiesen und ihn mit der Ermittlung des Versicherungswertes allein gelassen. Der BGH vertrat die Auffassung, „den Gebäudeversicherer treffen gesteigerte Hinweis- und Beratungspflichten bei Abschluss des Versicherungsvertrages, wenn er die Bestimmung des Versicherungswertes dem Versicherungsnehmer überlässt und Versicherungsbedingungen verwendet, nach denen die Feststellung des richtigen Versicherungswertes, ohne dass dies offen zutage läge, so schwierig ist, dass sie selbst ein Fachmann nur mit Mühe treffen kann“ (BGH a.a.O.). Das Gericht argumentierte ferner, dass die richtige Berechnung des Versicherungswertes im Hinblick auf die für einen bautechnischen Laien schwierige Bewertung von Bauleistungen, verbunden mit der Berücksichtigung örtlicher Preisunterschiede aus einer lange zurückliegenden Zeit sowie sonstiger dem Laien kaum zugänglicher Kriterien, einem Versicherungsnehmer nicht einfach überbürdet werden kann ohne ihn deutlich darauf hinzuweisen, welche Risiken er mit einer unzutreffenden Festsetzung des Versicherungswertes eingeht und wie er dem begegnen kann.

      

Explizite Belehrung

In diesem Kontext fordert der BGH vom Versicherer eine explizite Belehrung, verbunden mit dem Hinweis, dass es sich empfehlen kann, einen Bausachverständigen zur Wertermittlung hinzu zu ziehen, alternativ aber auch das Angebot einer fachkundigen Beratung durch den Versicherer selbst. Im Ergebnis kam der BGH zu dem Schluss, der beklagte Versicherer sei dem klagenden Versicherungsnehmer wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zum Schadenersatz verpflichtet. Allerdings muss sich der Versicherungsnehmer erzielte Vorteile, wie etwa die Ersparnis einer höheren Prämie, anrechnen lassen.

Dieser Fall zeigt deutlich die Risiken auf, die ein Versicherungsnehmer eingeht, wenn er einen Versicherungsvertrag bei einem Vermittler eines Versicherers abschließt, der oftmals aufgrund fachlicher Überforderung nicht in der Lage sein wird, die etwa bei der Feststellung des zu versichernden Wertes erforderliche objektive Beratung zu leisten. Ein fachlich spezialisierter Makler wird dem Kunden hier gezielte Hilfestellung anbieten können und ihm auch durch entsprechend konzipierte Versicherungsbedingungen, die weitgehende Ausschlüsse etwa des Risikos der Unterversicherung enthalten sollten, eine Begrenzung seiner Risiken bieten können.