Recht & Urteil

Regenfallrohre vs. Wasserleitungen: Was ist versichert?

Rohrbruchschäden sind in der Leitungswasserversicherung das täglich Brot von Versicherungsnehmern und Versicherern. Dennoch wird über die Auslegung von Bedingungen und den Versicherungsumfang in kaum einer anderen Sparte so ausgiebig gestritten, wie auch in diesem vom Landgericht (LG) Bonn vor einiger Zeit entschiedenen Rechtsstreit (Urteil vom 09.10.2014, Az.: 6 S 39/14).

 

Die Kläger waren Eigentümer eines bei der beklagten Versicherungsgesellschaft unter Zugrundelegung der Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen VGB 88 versicherten Gebäudes, an dem sich im Jahr 2012 ein Wasserschaden ereignete. Nachdem die Kläger im Keller des Hauses Feuchtigkeitsbildung bemerkten, zogen Sie eine Fachfirma zu Rate, die herausfand, dass an einem Regenwasserfallrohr, welches zunächst an der Fassade verlief, dann aber unter Materialwechsel unterhalb der Erdoberfläche zum Gebäude hin verlief, ein Rohrbruch entstanden war, welcher die Durchfeuchtung ausgelöst hatte.

Die Beklagte lehnte die Regulierung ab mit der Begründung, der Rohrbruchschaden sei nicht versichert, da an der schadhaften Stelle ausschließlich Regenwasser und keine häuslichen Abwässer durch das Rohr geflossen seien, was zwischen den Parteien auch unstreitig war. Umstritten blieb zunächst auch, ob das Ableitungsrohr innerhalb oder unterhalb der Bodenplatte des Gebäudes verlief.

Das erstinstanzlich mit dem Streit befasste Amtsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, der Schaden sei weder nach § 6 VBG 88 noch nach § 7 VGB 88 versichert, da kein Rohr der Wasserversorgung gebrochen sei. Dieser Rechtsauffassung wollte sich das in zweiter Instanz angerufene LG Bonn jedoch nicht anschließen. Es widersprach der Ansicht, von einem Rohr der Wasserversorgung könne erst dann ausgegangen werden, wenn häusliches Abwasser zugeführt worden sei. Die von dem AG zitierte Auffassung des OLG Frankfurt (Urteil vom 14.10.1999, Az.: 3 U 215/98) sowie die identische Literaturmeinung (Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. § 6 VGB 88) lehnte das LG ausdrücklich ab.

Die Kammer begründete ihre abweichende Auffassung damit, dass unter Berücksichtigung der AGB-Normen von § 305c Abs. 2 BGB sowie des Transparenzgebotes das allein taugliche Abgrenzungskriterium zur Begründung eines versicherten Schadenfalles im Sinne des § 7 VGB 88 im Falle eines Rohrbruches im Zusammenhang mit einem Regenfallrohr darin liegen könne, ob das Regenfallrohr mit den Abwasserleitungen des Gebäudes verbunden, also Teil des Abwassersystems sei und ob die Bruchstelle sich innerhalb des Gebäudes befunden habe. Nach dem von der Kammer postulierten maßgeblichen Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers müsse der Versicherungsnehmer die Formulierungen des § 7 VGB 88 im Zweifel so verstehen, dass alle Rohre, die in Verbindung mit den Abwasserrohren stünden und somit nach laienhaftem Verständnis Teil des Abwassersystems seien und innerhalb des Hauses verliefen, für den Fall des Rohrbruches vom Versicherungsschutz umfasst seien. Die Differenzierung des OLG, ob an der Bruchstelle bereits häusliches Abwasser eingeleitet worden sei, lasse sich aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers der Klausel der VGB nicht entnehmen, wobei auch Regenwasser nach allgemeinem Sprachverständnis Abwasser sei.

Das LG begründete seine Interpretation im Übrigen auch mit der Zeugenaussage eines von der Beklagten benannten Architekten, welcher den Schadenfall für die Beklagte bewertet hatte. Dieser hatte in seiner Anhörung maßgeblich darauf abgestellt, ob sich der Schaden innerhalb oder außerhalb des versicherten Gebäudes ereignet habe und insofern die Klauselinterpretation der Kammer gestützt, dass es für das Vorliegen eines versicherten Schadens jedenfalls nicht auf die Einleitung des häuslichen Abwassers ankommen könne.

Da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch feststand, dass die Regenwasserleitung innerhalb der Bodenplatte des Hauses verlief, gab das LG der Klage in vollem Umfang statt. Da die Kammer von der obergerichtlichen Rechtsprechung des OLG Frankfurt/Main abwich und in Ansehung der Vielzahl von Versicherungsverträgen, welche auf den VGB 88 beruhen, wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.

Erfreulich aus Sicht der Versicherungsnehmer ist, dass sich das LG, ähnlich wie das OLG Schleswig in einigen jüngst hier besprochenen Entscheidungen, des AGB-Rechts bedient, um eine verbraucherfreundliche Lesart der Versicherungsbedingungen durchzusetzen. In der Tat dürfte die vom OLG Frankfurt postulierte vorherige Beimischung „häuslich generierter Abwässer“ kein für den Endverbraucher nachvollziehbares Kriterium zur Beurteilung, ob ein versicherter Schaden vorliegt, sein.

Gut beraten ist auf jeden Fall derjenige Versicherungsnehmer, der sich der Dienste eines spezialisierten Beraters bedient, welcher möglichst eigene Versicherungsbedingungen, die entsprechende Interpretationsspielräume von vornherein unterbinden, verwendet.