Recht & Urteil

Recht und Urteil: Leitungswasserschäden in leerstehenden Gebäuden und die Frage nach Gefahrerhöhung

In einer jüngeren Entscheidung (Urteil vom 07.08.2024 – 7 U 251/20) hat sich das OLG Frankfurt a.M. mit Fragen im Zusammenhang mit einem frostbedingten Leitungswasserschaden in einem leerstehenden Gebäude auseinandergesetzt. Interessant sind dabei insbesondere die Feststellungen zur Kürzungsquote nach grob fahrlässiger Schadensherbeiführung sowie zur Qualifizierung des Leerstandes als eine Gefahrerhöhung.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde

Aufgrund einer frostbedingten Aufplatzung der Heizkörper und Armaturen entstand im versicherten Gebäude am 26.01.2017 ein Leitungswasserschaden. Zum Zeitpunkt des Schadeneintritts befand sich der damalige Eigentümer und Versicherungsnehmer des Gebäudeversicherungsvertrages in einem Rechtsstreit mit den Voreigentümern der Immobilie über die Wirksamkeit des Kaufvertrages. Ein Jahr nach dem Eintritt des Schadens kam es Anfang 2018 zur Rückübertragung an die Voreigentümer und Ende 2018 zur Weiterveräußerung an die Neueigentümerin (Grundbuch-Eintragung Anfang 2019). Die Neueigentümerin verlangte nun als Klägerin aus abgetretenem Recht von dem Wohngebäudeversicherer Leistungen zur Behebung des Leitungswasserschadens und Wiederherstellung des Gebäudes.

Dem Gebäudeversicherungsvertrag lagen die VGB 2003 zugrunde, nach denen dem Versicherungsnehmer oblag, nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Das Gebäude stand unstreitig seit mindestens November 2016 leer. Die wasserführenden Anlagen und Leitungen waren nicht geleert und abgesperrt gewesen. Über einen Rechtsanwalt teilte der Eigentümer im November 2016 den Voreigentümern mit, dass er sich nicht für den Eigentümer halte und forderte diese gleichzeitig auf, das Anwesen in der nun kommenden kalten Jahreszeit zu beheizen, um Schäden durch Einfrieren der Leitungen zu verhindern. Da er kein Eigentümer geworden sei, gehe er davon aus, dass die Voreigentümer sich darum kümmern würden.

Entscheidung der ersten Instanz

Das in erster Instanz angerufene LG Frankfurt hat die Haftungsquote des Versicherers bei 75 % gesehen. Eine Obliegenheitsverletzung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG habe der Versicherer vorliegend nicht geltend machen können, weil die Sanktionsregelung zugrundeliegender VGB 2003 wegen unterbliebener Vertragsanpassung (vgl. Art. 1 Abs. 3 EGGVG) an das VVG 2008 im Zuge der VVG-Reform unwirksam war. Das Gericht nahm jedoch eine grob fahrlässige Schadenherbeiführung gem. § 81 VVG an und rechnete dabei das Verhalten der Voreigentümer als Repräsentanten zugunsten des Eigentümers an.

Entscheidung des OLG Frankfurt a.M.

In der Berufungsinstanz hat das OLG Frankfurt diese Entscheidung abgeändert. Zunächst wurde die Repräsentanteneigenschaft der Voreigentümer aufgrund der fehlenden Befugnis, selbständig in gewissem Umfang für den Eigentümer zu handeln, verneint. Das Gericht hat jedoch dem Eigentümer selbst zugutegehalten, dass sich die Frage der Wirksamkeit des Kaufvertrages in Klärung befand. Vor diesem Hintergrund sei der Eigentümer nicht komplett untätig geblieben. Vielmehr habe er durch das anwaltliche Schreiben zum Schutz des Gebäudes versucht, die Voreigentümer in die Pflicht zu nehmen. Sein Verhalten sei damit nicht mit einem völligen Untätigbleiben gleichzusetzen, womit die Kürzungsquote von 75 % zulasten des Eigentümers gerechtfertigt sei.

Auf eine komplette Leistungsfreiheit aufgrund einer Gefahrerhöhung habe sich der Versicherer nicht berufen können. Das Gericht hat dabei bezweifelt, dass der Leerstand des Gebäudes allein eine Gefahrerhöhung darstellt. Zur Begründung verwies das OLG auf eine BGH-Entscheidung (r+s 04, 376), nach der im Einzelfall durch wertende Betrachtung der Umstände, unter Berücksichtigung der Ausgangslage bei Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, eine Abwägung durchzuführen sei, ob und in welchem Ausmaß den Gefahrerhöhungstatbeständen gefahrmindernde Umstände entgegentreten und es damit zu einer Kompensation der Gefahrerhöhung kommt. Das OLG Frankfurt hat gefahrmindernd gewertet, dass das Gebäude aufgrund seiner Lage an der Hauptstraße des Ortes inmitten der Nachbarbebauung nicht komplett unbeobachtet bleibt. Zudem haben die Voreigentümer im November 2016 die Heizung nachweislich warten lassen und diese auf ein konstantes Raumklima von 10 Grad eingestellt. Die Kontrollen des Raumklimas durch die Voreigentümer fanden im Schnitt zweimal wöchentlich statt.

Gefahrerhöhend wurde zwar die Tatsache gewertet, dass ein Leitungswasserschaden bei seinem Eintritt in einem leerstehenden Gebäude länger unentdeckt bleibt. Dieser Wertung gegenüber wurde aber gleichzeitig mindernd der Wegfall anderer typischer Risiken in bewohnten Gebäuden berücksichtigt, wie z.B. die ungenügende Beaufsichtigung wasserführender Haushaltsgeräte. Damit hat das Gericht im Ergebnis das Vorliegen der Gefahrerhöhung aus dem Leerstand des Gebäudes verneint.

Literaturstimmen

Dieses Ergebnis wurde in Teilen der Literatur kritisiert (vgl. Günther, jurisPR-VersR 9/24 Anm. 2). Gerade die Leitungswasserversicherung habe in der Gebäudeversicherung als schadenträchtigste Sparte eine besondere Stellung. Das Leitungswasserrisiko sei daher bei leerstehenden Gebäuden kaum oder nur unter engen Voraussetzungen versicherbar. Denn bei nicht genutzten Gebäuden liege eine statistisch signifikante Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Leitungswasserschadens vor, zumindest jedoch eines vergrößerten Schadenumfangs wegen in der Regel verzögerter Schadenentdeckung. Die pauschalisierte Ablehnung einer Gefahrerhöhung bei einem Leerstand sei daher nicht gerechtfertigt. Denn in der Vergangenheit habe es hierzu auch bejahende Urteile gegeben (vgl. z.B. OLG Hamm, Urteil vom 21.04.1989 – 20 U 294/88 – VersR 1990, 86).

Fazit:

Das Urteil und die Reaktionen in der Literatur zeigen erneut, dass die Anforderungen der Gebäudeversicherungsbedingungen in Bezug auf nicht genutzte Gebäude nach wie vor ernst zu nehmen sind und ihre Nichtbeachtung im Schadenfall zu hohen Abzügen bei der Versicherungsleistung führen kann. Dies gilt nicht nur außerhalb der kalten Jahreszeit, sondern vor allem innerhalb der Frostperiode.

Die entsprechenden vertraglich vereinbarten, besonderen Obliegenheiten des Versicherungsnehmers in § 16 Ziffer 1 b) VGB 2008 lauten dabei:

nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile zu jeder Jahreszeit genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten;

In der kalten Jahreszeit besteht zudem in § 16 Ziffer 1 c) VGB 2008 die Obliegenheit

alle Gebäude und Gebäudeteile zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren oder dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten.

Treffen beide Obliegenheiten zusammen, so geht nach ganz herrschender Meinung die erstgenannte Obliegenheit als Spezialvorschrift vor (vgl. OLG Celle, Urteil vom 7. Juni 2007 – 8 U 1/07).

Neben möglicher Obliegenheitsverletzung schwingt in solchen Fällen, wie aufgezeigt, auch das Risiko der Leistungskürzung aufgrund einer Gefahrerhöhung mit. In unseren AVW-Konzepten zur Wohngebäudeversicherung wirken wir den genannten Risiken mit verschiedenen Regelungen entgegen - sei es durch eine Gefahrerhöhungs- und Versehensklausel, durch den Verzicht des Versicherers auf die Geltendmachung einer grob fahrlässigen Schadensherbeiführung oder durch Anerkennung vorübergehender Leerstände (bis zu 12 Monate) als keine anzeigepflichtige Obliegenheitsverletzung.