Der neue GDV-Leitfaden orientiert sich am „Build Back Better“-Prinzip. Was hat es damit auf sich?
Alexander Haag: „Build Back Better“ ist ein schadenminderndes, zukunftsgerichtetes Konzept für die Reparatur und den Wiederaufbau von Wohngebäuden. Es beantwortet die Frage, was wir tun können, um Gebäude so zu reparieren und wiederaufzubauen, dass sie in Zukunft möglichst wenig oder sogar gar keine Schäden mehr davontragen. Das Konzept greift hauptsächlich als Reaktion auf Schäden durch Extremwetterereignisse bis hin zu Naturkatastrophen.
Was beinhaltet der neue GDV-Leitfaden genau?
Alexander Haag: Mit dem Leitfaden „Build Back Better“ liefert der GDV den Versicherern konkrete Maßnahmen und Strategien für eine klimaangepasste Zukunft. Er ist eine unverbindliche Orientierungshilfe, die zeigt, wie in der Wohngebäudeversicherung mit dem „Build Back Better“-Prinzip umgegangen werden kann und gibt Hinweise auf Zusatzmaßnahmen, die über das Neuwertversprechen hinaus gehen. Und zwar individuell für die einzelnen Naturgefahren, von Blitz über Hagel bis Schneedruck. Kurzum: Die Versicherer ebnen mit diesem Leitfaden den Weg für eine klimaresilientere Wiederherstellung von Gebäuden.
Warum ist so ein Leitfaden wichtig?
Alexander Haag: Prävention ist und bleibt der wichtigste Hebel, um Klimawandelrisiken zu managen. Der Klimawandel ist in vollem Gange – wir alle können die Auswirkungen bereits deutlich spüren und er hat auch einen großen Einfluss darauf, wie sich die Versicherungswirtschaft entwickeln wird. Damit wir den Folgen des Klimawandels auch in Zukunft angemessen begegnen können, brauchen wir konkrete Maßnahmen für die Wohngebäudeversicherung, die einen (Wieder-)Aufbau von Gebäuden ermöglichen, die resilienter gegen Naturgefahren sind. Etwa durch den Einsatz widerstandsfähigerer Baustoffe und Bauteile oder durch bauliche Veränderungen wie Aufkantungen an Treppenabgängen. Dadurch wird der Schadeneintritt im besten Fall ganz verhindert – wenigstens aber kann das Schadenausmaß deutlich verringert werden. Entscheidend dafür ist vor allem, dass das Angebot an nachhaltigen Versicherungsprodukten ausgebaut wird, zum Beispiel durch innovative Versicherungsbedingungen und Wirtschaftskonzepte.
Welche Versicherungsmöglichkeiten könnten sich dadurch ergeben?
Alexander Haag: Denkbar wäre, dass der klimaresilientere Wiederaufbau fest in Wohngebäude-Policen vereinbart wird. Auch die Widerstandsfähigkeit von Gebäuden könnte stärker in die Versicherungstarife einfließen. Häuser, die besser geschützt sind, sollen zudem von der Schadenfreiheit profitieren, die wiederum durch Prämiengestaltung honoriert werden könnte.
Die AVW beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit und unterstützt die Wohnungsunternehmen, nachhaltiger zu werden. Was wird bereits umgesetzt?
Alexander Haag: Viele unserer Kunden haben bereits die Möglichkeit, Mehrkosten abzusichern, wenn sie ökologische Materialien verwenden oder bestimmte Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung nach einem Schaden ergreifen. Wir haben mehrere besondere Versicherungsbausteine im Portfolio, die hierzu vereinbart werden können. Mit ihnen können etwa die Reparaturen und der Wiederaufbau von Sachwerten nach einem Schaden unter Berücksichtigung dieser Aspekte durchgeführt werden. Dazu gehören auch Modernisierungsmaßnahmen nach einem versicherten Schaden, die über behördliche Vorschriften hinausgehen. Damit leistet die AVW einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zur Resilienz von Gebäuden gegenüber zukünftigen Extremwetterereignissen.
Was können Unternehmen noch tun?
Alexander Haag: Wir alle wissen nicht, wie sich die Intensität, die Frequenz und die räumliche Verteilung von Naturgefahren in den kommenden Jahren noch entwickeln werden und wie sich das auf Schäden in der Wohngebäudeversicherung auswirken wird. Gleichzeitig schreitet die Technisierung der Haushalte und der Gebäude sowie die Weiterentwicklung von Baumaterialien und -techniken voran. Unternehmen tun daher gut daran, ein kontinuierliches Monitoring einzuführen, mit dem sie zum Beispiel den technischen Fortschritt von Baumaterialien und deren Verarbeitung im Blick behalten, denn daraus kann dann zum Beispiel schnell abgeleitet werden, welche schadenpräventiven Eigenschaften sich mit angrenzenden Baustoffen ergeben können.
Kommen Sie gerne bei Beratungsbedarf auf uns zu.
Vielen Dank für das Interview, Herr Haag.