Recht & Urteil

Mietminderung vs. Mietverlustversicherung: Wer zahlt wann?

Üblicherweise schließen gewerbliche Vermieter in die Gebäudeversicherung zugleich auch das Mietverlustrisiko ein, wobei die Haftzeiten meist zwischen 12 und 36 Monaten liegen. Die Hoffnung der Vermieter, in einem Schadenfall den eingetretenen Mietausfall ersetzt zu bekommen, greift jedoch nicht in jedem Fall, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München aus dem August 2015 belegt (OLG München, Urteil vom 07.08.2015, Az.: 25 U 546/15).

 

In dem entschiedenen Fall brannte ein Supermarkt vollständig ab, nachdem sich während der Geschäftszeit unmittelbar an der Außenwand abgestellte und mit Verpackungsmaterial gefüllte Rollcontainer aus ungeklärter Ursache entzündet hatten. Die Mieterin stellte daraufhin die Mietzahlungen wegen des Untergangs der Mietsache bis zum Wiederaufbau und der Neueröffnung des Supermarktes vollständig ein.

Gemäß den Versicherungsbedingungen der Gebäudeversicherung war u.a auch das Risiko des Mietausfalls versichert (§ 12 BFIMO). Dabei lag gemäß § 12 Ziff. 1 a) der Versicherungsbedingungen ein Mietverlust dann vor, wenn „in Folge eines Versicherungsfalles Mieter von Räumen gesetzlich berechtigt sind, die Zahlung der Miete ganz oder teilweise zu verweigern“.

Da der Versicherer die Zahlung des begehrten Mietausfalles verweigerte, kam es zu einem Rechtsstreit vor dem Landgericht (LG), welches die Klage mit der Begründung abwies, dass Versicherungsschutz nur unter der Voraussetzung bestünde, dass die Mieterin gesetzlich zur Verweigerung der Mietzinszahlungen berechtigt gewesen sei. Im Streitfall habe jedoch eine Verpflichtung der Mieterin gemäß § 326 Abs. 2 BGB bestanden, den Mietzins weiterhin zu entrichten, da diese nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Untergang der Mietsache zu vertreten hatte. Das LG begründete dies damit, dass die Mieterin die Rollcontainer mit den Verpackungsmaterialien sorgfaltswidrig über einen Zeitraum von mehreren Stunden unmittelbar an der Hauswand gelagert und damit den Brand zurechenbar mit verursacht habe. Zwar ließ sich nicht mehr aufklären, ob Mitarbeiter oder sonstige Dritte den Brand verursacht hatten, jedoch sah das Gericht die Lagerung der leicht brennbaren Materialien als leicht fahrlässige Verletzung vertraglicher Nebenpflichten an und berief sich in diesem Zusammenhang auf die hier nicht vereinbarten „Allgemeinen Sicherheitsvorschriften der Feuerversicherer für Fabriken und gewerbliche Anlagen (ASF)“. Das LG argumentierte, dass es sich zwar bei den ASF nicht um ein Regelwerk mit Rechtsnormcharakter oder gar um ein Schutzgesetz handele, jedoch seien dort allgemein geeignete, zumutbare und nicht überzogene Verhaltensregeln zur Konkretisierung der allgemeinen Sorgfaltspflichten niedergelegt, die auch auf den hier betroffenen Supermarkt anwendbar seien.

Gegen dieses Urteil wandte sich die Berufung, die das OLG mit einer abweichenden Begründung wie das LG gleichwohl abwies. Anders als das erstinstanzliche Gericht stellte es sich auf den Standpunkt, dass nicht die beklagte Versicherung beweisen müsse, dass der Mieter den Untergang der Mietsache nach § 326 Abs. 1 BGB zu vertreten habe. Vielmehr sei die Klägerin dafür beweispflichtig, dass überhaupt ein von der Gebäudeversicherung gedeckter Mietausfallschaden vorläge, der Mieter also gemäß § 12 der Versicherungsbedingungen BFIMO berechtigt gewesen sei, die Miete ganz oder teilweise zu mindern. Damit treffe die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Versicherungsnehmerin zugleich die Beweislast für den Negativbeweis, dass der Mieter nicht allein oder überwiegend für das Abbrennen des Supermarktes verantwortlich gewesen sei.

Einen Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum konkludenten Regressverzicht des Versicherers sah das OLG dabei nicht. Der BGH postuliert in Fällen, in denen der Wohnungs- oder Gewerbemieter durch einfache Fahrlässigkeit einen Brandschaden verursacht hat, durch ergänzende Vertragsauslegung einen Regressverzicht des Versicherers und erstreckt diesen auch auf die Mietverlustversicherung mit der Begründung, die Interessenlage sei bei dem Mietausfall dieselbe wie beim Gebäudeschaden (BGH Urteil vom 13.09.2006, Az.: IV ZR 378/02). Das OLG argumentierte dem gegenüber damit, dass es im entschiedenen Fall um die vorgelagerte Frage gehe, ob überhaupt ein versicherter Mietverlustschaden vorliege. Konsequenterweise sah das OLG hier die mietrechtliche Fragestellung nach der Berechtigung des Mieters zur Verweigerung der Mietzinszahlungen im Vordergrund.

Da es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht auszuschließen war, dass die Mieterin das Feuer und damit die Zerstörung des vermieteten Gebäudes allein oder weit überwiegend zu verantworten hatte, konnte weder der Nachweis geführt werden, dass der Brand durch Mitarbeiter der Mieterin verursacht wurde noch dass ein Organisationsverschulden des Supermarktbetreibers im Hinblick auf die Lagerung der brennbaren Materialien ursächlich war. Ebenso konnte nicht nachgewiesen werden, dass sonstige Dritte für die Entzündung ursächlich gewesen wären. Dieses sogenannte non liquet, also die Unaufklärbarkeit der Tatsache, wer letzten Endes ursächlich für die Entzündung der Rollwagen war, ging nach der Rechtsauffassung des OLG zu Lasten der Klägerin, da diese den ihr obliegenden Beweis, dass die Entzündung nicht durch die Mieterin zu verantworten gewesen sei, nicht erbringen konnte. Damit war folgerichtig nicht von einem versicherten Mietverlustschaden auszugehen, da das dazu erforderliche Recht zur Mietminderung durch die Mieterin, die Supermarktbetreiberin, nicht nachgewiesen werden konnte.

Dieser Fall demonstriert, welche Probleme im Detail sich bei der Abwicklung eines vermeintlich versicherten Schadens ergeben können und unterstreicht die Notwendigkeit, sich erfahrener Experten sowohl beim Einkauf passenden Versicherungsschutzes als insbesondere auch im Schadenfall zu bedienen.