Leitungswasserschäden

Leitungswasser und seine Folgen

Der Abschluss einer Leitungswasserversicherung ist im Rahmen der Absicherung von Wohn- und Geschäftsimmobilien normaler Standard. Aus Sicht der Versicherer ist diese Sparte allerdings sehr problematisch, da ein erheblicher Teil der zu regulierenden Schäden in der Gebäudeversicherung aus der Wasserversorgung resultieren.

Bei der Vielzahl der anfallenden Schäden ist es nicht verwunderlich, dass es aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern zahlreiche Gerichtsentscheidungen zur Leitungswasserversicherung gibt, die sich meist mit dem Deckungsumfang der jeweiligen Police befassen. Eine weitreichende Entscheidung hat hierzu vor einiger Zeit der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Köln gefällt (OLG Köln Az.: 9 U 64/10).

Die Klägerin des Rechtsstreits betrieb in einem von ihr angemieteten Ladenlokal ein Geschäft für Wäschemoden und unterhielt dafür bei der beklagten Versicherung eine „Gebündelte Geschäftsversicherung“ unter Einschluss des Leitungswasserrisikos. Nachdem ein unter dem Ladenlokal wohnender Mieter des Abends von oben eindringendes Wasser bemerkt hatte, beauftragte die Hausverwaltung eine Sanitärfirma mit der Beseitigung des Schadens. Der Monteur der Firma erschien am nächsten Morgen im Geschäft der Klägerin und öffnete dort großflächig den Fußboden, ohne dass vorher die Einrichtung des Ladenlokals oder die Waren ausgelagert oder sonst geschützt worden wären.

Im Zuge der Reparaturarbeiten stellte sich heraus, dass aus einem im Boden verlaufenden Heizungsrohr seit geraumer Zeit Wasser ausgetreten war, welches zu einer Durchfeuchtung und Zersetzung der dort verbauten Mineralfaserplatten geführt hatte. Infolge der Reparaturarbeiten wurden sowohl die Geschäftseinrichtung als auch die Waren in erheblichem Umfang durch Staub, Schimmel und Bakterien verunreinigt. Daraufhin verlangte die Klägerin die Regulierung des eingetretenen Schadens von ihrem Versicherer, was dieser jedoch ablehnte. Begründet wurde die Weigerung damit, dass die Ursache des Schadens nicht im Bereich der Leitungswasserversicherung zu suchen sei sondern vielmehr die unsachgemäß durchgeführte Reparatur schadensursächlich geworden sei.

Dies sahen jedoch die Richter sowohl des erstinstanzlich angerufenen Landgerichts Köln als auch die Richter des OLG anders. Sie argumentierten damit, dass gemäß § 1 Nr. 1 AWB (Allgemeine Bedingungen für die Leitungswasserversicherung) der Versicherer Entschädigung zu leisten hat für „durch Leitungswasser“ zerstörte oder beschädigte Sachen. Zur Auslegung wann ein Schaden „durch Leitungswasser“ entstanden ist, stellten die Richter auf das Verständnis des Wortlauts durch einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ab. Da die Formulierung der AWB nur eine Beschädigung der versicherten Sache durch Leitungswasser erforderte, ohne dass ein ausdrückliches Unmittelbarkeitserfordernis postuliert wäre, genügt demnach der bloße Ursachenzusammenhang mit dem Leitungswasserschaden, wobei das Wasser adäquat kausale Ursache des Schadens sein muss.

Diese Kausalität bejahte das Gericht im vorliegenden Fall mit der Begründung, das ausgetretene Wasser habe unstreitig die Mineralfaserplatten im Boden zersetzt, so dass sich dort Schimmel und Bakterien gebildet hätten. Das Öffnen des Bodens durch die Handwerker zur Feststellung der Schadensursache sowie Behebung des Schadens sei unabdingbare Folge des Wasseraustritts. Diese Arbeiten seien zwangsläufig mit Staubentwicklung sowie ggf. der Aufwirbelung von Schimmelsporen und Bakterien verbunden. Dabei sah das Gericht die fehlende Sicherung der Waren und Einrichtungsgegenstände des Ladengeschäfts nicht als erhebliche Abweichung vom Kausalverlauf an.

Auch ein den Kausalzusammenhang zwischen dem Leitungswasseraustritt und der Beschädigung von Waren und Inventar unterbrechendes Ereignis in Gestalt der unsachgemäß durchgeführten Reparaturarbeiten vermochte das Gericht nicht festzustellen. Eine solche Unterbrechung wäre nur dann gegeben, wenn der Schaden letztlich durch ein so ungewöhnliches oder unsachgemäßes Verhalten des Dritten ausgelöst worden wäre, dass zwischen den jeweiligen Schadenbeiträgen nur ein quasi zufälliger Zusammenhang bestanden hätte und dem „Erstschaden“, also dem Leitungswasseraustritt, diese Folgen billigerweise nicht mehr hätten zugerechnet werden könnten.

Das Gericht verneinte auch eine Verletzung von der Klägerin obliegenden Schadenminderungs- oder Rettungspflichten, so dass der beklagte Versicherer zur Regulierung verurteilt wurde. Allerdings dürfte diesem ein Regressanspruch aus übergegangenem Recht gegen die mit der Durchführung der Reparaturarbeiten beauftragte Sanitärfirma zustehen.

Dieser Fall illustriert anschaulich, dass trotz ausgefeilter Bedingungswerke immer wieder Schadenfälle eintreten, die sowohl detaillierte Kenntnisse der Bedingungen und ihrer Auslegung als auch ein entsprechendes Standing gegenüber dem Versicherer voraussetzen, um eine Regulierung des Schadens im Sinne des Versicherungsnehmers zu gewährleisten.