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Gefahren durch Lithium-Akkus und E-Mobilität

Wer in der heutigen Zeit auf die Vorzüge der digitalen Kommunikation und der mobilen Arbeitsweise nicht verzichten will, wird sich der Benutzung von Smartphones, Notebooks, Tablets, Kameras etc. nicht verweigern können. All diese Geräte werden heute mit Lithiumbatterien betrieben. Auch die sprungartige Entwicklung der E-Mobilität trägt zur massenhaften Verbreitung von Lithiumbatterien bei. Pedelecs, E-Roller, Elektro-Rollstühle und schließlich auch die Elektroautos werden aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sein.

Doch was als Beitrag zur Entwicklung der täglichen Mobilität und unter Umweltgesichtspunkten begrüßenswert ist, hat auch Gefahrenpotenzial.
Grundsätzlich sind die Lithium-Technologie sowie die entsprechenden Ladetechnologien bei fachgerechter Anwendung und ordnungsgemäßem Umgang als sichere Technologien anzusehen. Dafür sorgen u.a. auch die eingebauten Sicherheits- und Schutzmechanismen.
Dennoch können technische Defekte oder unsachgemäße Handhabung schnell zu unkontrollierten und schnellen Ausbrüchen in Form von thermischer Energie führen. Plötzlich auftretende explosionsartige offene Feuererscheinungen sorgten in jüngster Vergangenheit für viele Schlagzeilen und Rückrufaktionen. Brandschäden durch Feuerausbrüche aus explodierten Lithium-Batterien gehen in Millionenhöhe. Auch zahlreiche Personenschäden gab es bereits zu beklagen.

Produktionsbedingte Beschädigung

Die Gefahren für Mensch, Sachen und Umwelt können zunächst durch fabrikationsbedingte technische Defekte in den Batterien entstehen. Aus den Schlagzeilen sind viele Rückrufaktionen der Hersteller nach Brandschäden durch Lithiumbatterien in Tablets, Notebooks, Musikplayern, Akku-Rasenmähern, E-Zigaretten oder Elektroautos bekannt. Solche Brände entstehen zumeist ohne Warnzeichen und Vorankündigung und lassen sich nur schwer vorhersehen. Aus schadenpräventiver Sicht gilt es daher, alle Lithiumbatterien zunächst als Gefahrstoffe zu behandeln und entsprechende bauliche und räumliche Brandschutzvorkehrungen und organisatorische Schutzmaßnahmen zu treffen.

Mechanische Beschädigung

Die potentielle Gefährlichkeit der Lithium-Batterie ist bereits in ihrer Konstruktionsweise und in den verwendeten Materialien angelegt. Die energiebildenden Kathoden- und Anodenschichten sind in der Batterie durch eine hauchdünne Membran (sog. Separator) getrennt, die sehr störanfällig ist. Bei einem Mobiltelefon kann bereits ein Sturz aus einem Meter Höhe zu Schädigungen an der Membran und damit zu inneren Kurzschlüssen führen. Diese internen Kurzschlüsse aufgrund mikroskopisch kleiner Separatorschäden führen zwar zu einer Temperaturerhöhung, bleiben jedoch zunächst oft unbemerkt und führen erst nach längerer Anwendung zu plötzlichen Brandschäden.

Beschädigung durch Anwendungsfehler

Schäden an Batterien können weiterhin auch durch Anwendungsfehler entstehen.

Häufig entstehen Schäden durch Überladen oder durch Tiefentladen der Batterie. Wie die Brandursachenermittlungen zeigen, entstehen die meisten Brände tatsächlich beim Laden der Batterien. Bei Überladung kann es zu einer Verdampfung der organischen Elektrolytflüssigkeit, lokaler Temperaturerhöhung, Austreten von Sauerstoff und im Endeffekt zu explosionsartigen Entlastungsreaktionen kommen. Bei Tiefentladung zersetzt sich die Elektrolytflüssigkeit in der Batterie, was bei erneuter Ladung dieser Zelle zu hoher Temperaturentwicklung führen kann. Zur Vermeidung solcher Schäden ist auf das Vorhandensein von elektronischen Schutzeinrichtungen in der Batterie bzw. dem Ladegerät gegen Tiefent- oder Überladung zu achten. Entsprechende Vorsicht ist daher beim Kauf der Geräte geboten. Es sollte immer auf das GS-Zeichen geachtet werden. Dieses garantiert, dass der Hersteller alle Sicherheitsvorschriften eingehalten hat.

Thermische Belastung

Auch thermische Einwirkungen wie direkte Sonneneinstrahlung (z.B. auf ein Navigationsgerät unter der Windschutzscheibe bei starker Hitze) oder die Wärmeeinwirkung im Brandfall sind für die Lithium-Batterien gefährlich. Bereits ab 70° C kann es zur Selbstentzündung der Graphit-Anode oder des Elektrolyten kommen. Ab 130 ° C schmilzt der Separator, was zum zusätzlichen Temperaturanstieg durch Kurzschlüsse und im Ergebnis zum Aufblähen oder Öffnung des Gehäuses aufgrund freigesetzter Zersetzungsgase führt.

Gefahr durch austretende Inhaltsstoffe

Letztlich ergeben sich die Gefahren auch aus den in einer Lithium-Batterie verbauten Inhaltsstoffen. Insbesondere beim Kontakt des hochreaktiven Lithium-Metalls mit Wasser (z.B. Löschwasser) werden die Wassermoleküle in ihre Bestandteile (Wasserstoffgas und Sauerstoffgas) zersetzt, die brennbar bzw. brandfördernd sind. Dabei können bereits kleine elektrische Funken, wie z.B. das Betätigen eines Lichtschalters, ausreichen, um sog. Knallgasexplosionen hervorzurufen.

Schutzmaßnahmen und Schadenverhütung

All diesen Gefahren gilt es zu begegnen. Die Entwicklung eines Sicherheitskonzeptes muss dabei auf mehreren Ebenen stattfinden. Neben allgemeiner Schadenverhütung und Beachtung der Sicherheitsregeln (bauliche, organisatorische und anlagentechnische Vorsorgemaßnahmen) ist auch die produkt-spezifische Schadenverhütung von großer Bedeutung.

Dabei unterscheiden sich die spezifischen Sicherheitsregeln je nach Größe der Batterie. Bei Batterien geringer Leistung (wie in Notebooks/Tablets und Mobiltelefonen eingesetzt) sind außerhalb allgemeiner Schutzvorkehrungen bei Einhaltung der Hersteller- und Behördenvorgaben keine zusätzlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten. Hier reicht es aus, die Batterie vor mechanischen und thermischen Beschädigungen zu bewahren, die Ladevorgänge möglichst unter Aufsicht und auf feuerbeständiger Unterlage auszuführen und zeitlich auf das Nötigste zu begrenzen. Wie die Brandversuche zeigen, blähen sich die Zellen vor dem Brandausbruch auf. Beschädigte und aufgeblähte Batterien sind daher umgehend fachgerecht zu entsorgen.

Lithium-Batterien mittlerer Leistung, wie sie in den E-Rollern, Pedelecs, Elektro-Rollstühlen etc. eingesetzt werden, sind in einem feuerbeständig abgetrennten Raum bzw. mit ausreichendem räumlichen Abstand separat zu lagern. Diese Batterien sollten nicht unbeaufsichtigt (z.B. über Nacht) geladen werden und sind ferner auch vor Frost zu schützen. Ladevorgänge sind grundsätzlich nur im Trockenen auszuführen. Zur Schonung der Batterie sollte diese nicht über 90 % auf und nicht unter 10 % entladen werden. In jedem Fall ist eine flächendeckende Brandfrüherkennung mit automatischer Alarmweiterleitung unentbehrlich.

In den Batterien mit hoher Leistung, wie sie in den Elektroautos eingesetzt sind, wird dieselbe Lithium-Technologie benutzt, die Brandlast ist jedoch ungleich höher. Es sind daher zusätzlich zu den genannten Anforderungen im Einzelfall individuelle Sicherheitslösungen zu entwickeln. Wird z. B. in einer Wohnanlage eine Ladestation für E-Fahrzeuge installiert, sind unabhängig von den VDE-Standards für die Einrichtung der Ladestationen auch die baulichen Brandschutzvorkehrungen in Verbindung mit zusätzlichen organisatorischen und technischen Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die Lithium-Batterien in den Fahrzeugen zu beachten. So ist z.B. die konventionelle Löschtechnik durch die beim Brand der Lithium-Batterien freigesetzten großen Energiemengen häufig überfordert und wird nicht in der Lage sein den Brand wirksam zu bekämpfen. Die möglichst frühzeitige Erkennung und der Einsatz großer Mengen Wasser können jedoch zu einer deutlich verlangsamten Brandentwicklung beitragen. Gelingt es, den Brand in den ersten Minuten seiner Entstehung wirksam zu bekämpfen, besteht eine große Chance, das Brandgeschehen unter Kontrolle zu bekommen.

Versicherungstechnische Sicht

Grundsätzlich könnte die Unterlassung der Umsetzung elementarer Sicherheitsregeln im Umgang mit Lithiumbatterien einem Versicherer im Einzelfall Anlass zur Prüfung der Frage der groben Fahrlässigkeit geben. Daher ist es auch aus versicherungstechnischer Sicht sowohl als Privat- als auch als gewerblicher Anwender wegen des hohen Gefahrenpotenzials empfehlenswert, sich mit diesem Thema genauer zu beschäftigen.

Lädt ein Mieter in den gemieteten Kellerräumen sein Pedelec, könnte es u.U. eine Gefahrerhöhung darstellen, die jedoch dem Vermieter ohne entsprechende Kenntnis seitens seiner Wohngebäudeversicherung nicht vorzuwerfen wäre. Denn der Mieter ist versicherungsrechtlich grundsätzlich kein Repräsentant des Vermieters. Anders könnte es sich verhalten, wenn der Vermieter den Mietern Lademöglichkeiten und –Stationen für Fahrzeuge zur Verfügung stellt.

Auch wenn die Installation und der ordnungsgemäße und sichere Betrieb einer E-Ladestation an sich keine Erhöhung des Schadenpotenzials und damit in der Regel keine Gefahrerhöhung darstellen wird, sollte dieser dem Versicherer gemeldet werden. Das Sicherheitskonzept sollte mit dem Versicherer im Zweifel abgestimmt werden. Dabei sind auch eventuelle behördliche Bauauflagen zu beachten.

All diese Fragen werden sich in der Zukunft vermehrt stellen, insbesondere im Hinblick auf die in jüngster Zeit geführten politischen Diskussionen um die Förderung der Barrierefreiheit und Elektromobilität. Der zur Zeit dem Bundestag vorgelegte Gesetzesentwurf zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BT-Drucksache 19/401) sieht ein Recht des Mieters vor, für bauliche Veränderungen oder sonstige Einrichtungen, die für die Installation einer Ladeeinrichtung für ein elektrisch betriebenes Fahrzeug erforderlich sind, die Zustimmung des Vermieters verlangen zu können. In diesem Zusammenhang stellen sich jedoch noch mehr rechtliche Fragen zu den Möglichkeiten der Umsetzung eines solchen Gesetzesvorhabens. Insofern wird man aber die Beratungen im Bundestag zu diesem spannenden Thema abwarten müssen.