Der Krieg in der Ukraine führte aufgrund des strengen Sanktionsregimes gegen Russland dazu, dass sich nahezu alle westlichen Versicherer aus dem Land zurückzogen. Jahrzehnte wirtschaftlicher Kooperationen wurden auf einen Schlag beendet, Tochtergesellschaften und Beteiligungen abgestoßen.
Die Frage, ob aufgrund der Kriegsausschlussklausel die Cyberdeckung zu verweigern wäre, wenn Angriffe etwa auf westliche Firmen Teil der russischen Kriegsstrategie sind, wurde kontrovers diskutiert. Dabei blieb die Sorge vor einer von Russland gesteuerten großen Welle von Cyber-Attacken bislang ebenso unbegründet, wie die Angst vor der unkontrollierten Ausbreitung eines Hackerangriffs.
Deutschland verzeichnet Rekord-Inflation
Größer waren die indirekten Auswirkungen des Krieges auf die Versicherungswirtschaft: Als Folge der sanktions- und kriegsbedingten Lieferengpässe vor allem für Erdgas, erreichte die Inflation in vielen Ländern eine seit Jahrzehnten nicht gesehene Höhe von mehr als 10 %. Das trieb die Schadenaufwendungen, der ohnehin aufwandsgetriebenen Sachsparten wie Wohngebäude und Kfz noch weiter in die Höhe. Betrachtet man nur die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte, sah man im April 2022 alarmierende 34 % höhere Preise als ein Jahr zuvor. Eine vergleichbare Entwicklung hatte es zuletzt nur während der Ölkrise 1973 gegeben.
Durch die steigenden Schäden sind die Rück- und Erstversicherer gezwungen, diese erhöhten Kosten bei den Prämien ihrer Kunden einzukalkulieren.
Dies forderte auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) von den Versicherern. Ob alle Wohngebäude- und Kfz-Versicherer den Rat der BaFin berücksichtigten, die Preise über die Indexanpassungen hinaus zu erhöhen, wenn es dafür keine vertragliche Grundlage gibt, ist allerdings fraglich. Denn wenn die Anbieter über den Anpassungsfaktor hinaus erhöhen, haben die Kunden ein Sonderkündigungsrecht.
Zwar hat der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) die nötige Preisanpassung in der Wohngebäudeversicherung, den sogenannten gleitenden Neuwertfaktor, auf 14,7 % für 2023 beziffert. Er basiert auf dem Baupreisindex für Wohngebäude und dem Tariflohnindex für das Baugewerbe. Problematisch aufgrund der hohen Inflationsrate ist für die Versicherer allerdings, dass die Höhe der Indexanpassung rückwärtsgewandt ermittelt wird. So ist der Anpassungswert für 2023 bereits im Mai 2022 festgelegt worden, auf Basis der Verteuerung von Baumaterialien und Löhnen zwischen Mai 2021 und Mai 2022. Die Anpassung der Verträge um den gleitenden Neuwertfaktor erfolgt aber zeitversetzt erst im Jahr 2023 zur jeweiligen Hauptfälligkeit – bis dahin schreitet die Inflation in großen Schritten voran. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Versicherer ihre Beitragsanpassungsklauseln in Zukunft überarbeiten werden, um den inflationsbedingten Mehraufwand zu nivellieren und die Prämien zeitgerechter anzupassen.
Auswirkungen der hohen Zinsen auf die Versicherer
Die Zinsen kehrten mit hoher Dynamik zurück. Dies wirkte entlastend für die Versicherer, denn die Auswirkung der Inflation wird durch die geänderte Zinsstrukturkurve teilweise kompensiert. Für die Kompositversicherer bedeutet dies eine Rückkehr zu auskömmlicheren Erträgen für ihre Kapitalanlagen. Besonders bedeutsam ist die Rückkehr der Zinsen jedoch für Lebensversicherer, die jahrelang dafür sorgen mussten, in Zeiten von Null- und Negativzinsen die hohen Altgarantien ihrer Lebensversicherungsbestände zu sichern. Die hierfür gebildeten Zinszusatzreserven betrugen zuletzt annähernd 100 Mrd. Euro und können nun teilweise wieder aufgelöst werden.
Nachhaltigkeit auf dem Vormarsch
Insgesamt nimmt die EU-konforme Positionierung der deutschen Versicherer in Bezug auf eine Transformation der deutschen Wirtschaft zur Klimaneutralität konkrete Züge an. Dies betrifft neben Nachhaltigkeitskriterien bei Investitionsentscheidungen und Kapitalanlagen in Zukunft auch die Zeichnungsrichtlinien für gewerbliche und industrielle Risiken. Besonders in der Zeichnungspolitik der Rückversicherer nimmt die Relevanz von ESG-Kriterien bereits stetig zu.
Ad acta gelegt: Corona
Die Pandemie bzw. Epedemie verlor im Laufe des Jahres in Europa ihren Schrecken – auch was die möglichen Folgen für die Versicherer anbetrifft. In der umstrittenen Frage der Betriebsschließungsversicherung urteilte der BGH im Januar 2022 auf Linie der Versicherer, wonach die Schließung eines Betriebes aufgrund behördlicher Corona-Maßnahmen für die Mehrheit der Policen kein Leistungsfall sei. Damit sind die deutschen Versicherer – im Gegensatz zu ihren britischen Kollegen – von einer milliardenschweren Schadenlast verschont geblieben.
Elementargefahren – Kommt die Pflichtversicherung?
Nicht ad acta gelegt wurde im vergangenen Jahr das Thema Pflichtversicherung gegen Elementargefahren. Unter dem Eindruck der verheerenden Schäden durch das Sturmtief „Bernd“ im Jahr 2021, hatten sich die Bundesländer nach langen Diskussionen im Juni 2022 auf die Einführung einer Pflichtversicherung verständigt. Die Umsetzung wurde jedoch im Dezember durch das überraschende Veto des Justizministeriums verhindert. Das Thema dürfte auf Wiedervorlage stehen, auch wenn die deutschen Versicherer ein Opting-out-Modell für die Elementarversicherung bevorzugen, d.h. obligatorische Deckung in der Gebäudeversicherung - mit Abwahlmöglichkeit.
Naturgefahrenbilanz 2022
Mit 4,3 Milliarden Euro war 2022 ein durchschnittliches Schadenjahr für die deutschen Versicherer. Die schwersten Schäden verursachten die Orkane Ylenia, Zeynep, Antonia im Februar. Mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro liegt die Sturmserie auf Platz drei der schwersten Winterstürme seit 2002. Die Orkane verursachten 1,25 Milliarden Euro Schäden an Häusern, Hausrat und Betrieben sowie rund 65.000 Schäden an Kraftfahrzeugen in Höhe von 125 Millionen Euro.
Rekordhoch in der Cyberversicherung
Während sich die Lage in der D&O Versicherung zu Beginn des Jahres entspannte, blieb die Cyberversicherung nicht von drastischen Preisanpassungen verschont. Eine Vielzahl Ransomware-Attacken belasteten weiter das Geschäft. Die Schadenerfahrung führte neben Preiserhöhungen vielfach zu Deckungseinschränkungen und hohen Selbstbehalten. Als Reaktion auf die drastische Markverhärtung gründeten einige europäische Industrieunternehmen einen gemeinsamen Cyber-Gegenseitigkeitsversicherer. Grundsätzlich geht es bei Cyberdeckung um die Frage, ob das Risiko angesichts systemischer Bedrohung überhaupt noch versicherbar bleibt.
Beitragserhöhungen in der Wohngebäudeversicherung
Die Beitragseinnahmen der deutschen Versicherer in der Schaden- und Unfallversicherung sind nach Hochrechnungen aus November um vier Prozent auf 80,4 % Mrd. Euro gestiegen. Versicherungstechnisch ist die sog. Combined Ratio (Schaden-Kostenquote) auf 95 % (Vorjahr: 102,2 %) gesunken. Die Wohngebäudeversicherung verbesserte sich von 139 % auf 106 % und bleibt ein Verlustbringer. Insgesamt erwarten die deutschen Versicherer für das Jahr 2022 einen versicherungstechnischen Gewinn von fünf Prozent und somit eine kombinierte Schaden-/Kostenquote von 95 % (Vorjahr: 102,2 %).
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