Recht & Urteil

Dachlawinen – Nord-Südgefälle der Rechtsprechung

Zwar hat der diesjährige Winter im Gegensatz zu den vergangenen Jahren bislang noch auf sich warten lassen, jedoch besteht nach wie vor die Chance auf Schneefall und damit auch auf Dachlawinen, insbesondere in den südlicher gelegenen Teilen der Republik. Diese Dachlawinen bergen, wenn sie auf parkende Autos heruntergehen,

ein beachtliches Zerstörungspotential, so dass an ein solches „Lawinenunglück“ anschließend der Streit zwischen dem Hauseigentümer und dem Halter des von der Schneelast beschädigten Fahrzeugs beinahe vorprogrammiert ist.

Aus Sicht eines Geschädigten mag es hier naheliegen, an eine Haftung des Gebäudeeigentümers - etwa aus dem Aspekt der Verkehrssicherungspflicht heraus - zu denken. So unkompliziert und eindeutig stellt sich die Haftungslage der einschlägigen Rechtsprechung zufolge jedoch nicht dar, wobei sich ein eindeutiges Nord-/Südgefälle an den Urteilen feststellen lässt.

So hat beispielsweise das Amtsgericht (AG) München in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung festgestellt, dass ein Hauseigentümer grundsätzlich nicht verpflichtet sei, Dritte durch spezielle Sicherungsmaßnahmen vor Dachlawinen zu schützen, sofern dies nicht vorgeschrieben sei und auch keine besonderen Umstände solche Sicherungsmaßnahmen gebieten würden (Az.: 275 C 7022/11). Das Amtsgericht begründete die Ablehnung der Ansprüche des Autobesitzers von immerhin über 2.000 EUR damit, dass es zunächst Aufgabe jedes Einzelnen sei, sich und sein Eigentum selbst zu schützen. Eine Rechtspflicht, zugunsten Dritter tätig zu werden, bestehe erst dann, wenn besondere Umstände dies gebieten würden, was im entschiedenen Fall jedoch verneint wurde.

Die Verkehrssicherungspflichten eines Hauseigentümers werden von den weiter nördlich gelegenen Gerichten jedoch weniger zurückhaltend beurteilt, möglicherweise bedingt dadurch, dass dort die Winter in der Regel weniger schneereich sind als in Bayern. So hat in einem ähnlich gelagerten Fall das Landgericht Magdeburg entschieden, dass grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch eines geschädigten Autohalters gegenüber dem Hauseigentümer bestünde, wenn das Fahrzeug durch eine Dachlawine beschädigt würde. (Az.: 5 O 833/10). Das Landgericht argumentierte damit, dass derjenige, der eine Gefahrenlage schaffe, alle zumutbaren Vorkehrungen treffen müsse, um einen Schadeneintritt zu vermeiden. Dabei bedürfe es solcher Vorkehrungen nicht, wenn die Gefahren deutlich erkennbar seien, folglich quasi vor sich selbst warnten, so dass bei verständiger Betrachtung davon auszugehen sei, dass die zu Schützenden ihnen ausweichen könnten und würden.

Im entschiedenen Fall half die geschädigtenfreundliche Betrachtungsweise des Gerichtes dem geschädigten Autobesitzer jedoch nicht weiter, da er von seinem Schaden in Höhe von mehr als 6.000 EUR die Hälfte selbst tragen musste, da das LG ein Mitverschulden in Höhe von 50 % unterstellte. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger in der Nähe wohnte und die örtlichen Gegebenheiten kannte, so dass es ihm zumutbar gewesen sei, aus Vorsichtsgründen sich einen weniger gefährdeten Parkplatz zu suchen.

 

Erhebliche Risiken durch uneinheitliche Rechtsprechung

Für die Haus- und Grundeigentümer birgt diese uneinheitliche Rechtsprechung erhebliche Risken, da im Vorwege nicht erkennbar ist, welche Anforderungen an die jeweiligen Verkehrssicherungspflichten zu stellen sind.

Es ist auch nicht zu empfehlen, sich hier zurückzulehnen nach dem Motto „Mein Haftpflichtversicherer wird es schon richten“, da das Risiko besteht, dass der Versicherer sich auf eine Obliegenheitsverletzung des Hauseigentümers mit daraus resultierender quotisierter Kürzung der Entschädigungsleistung berufen wird, sofern dieser grob fahrlässig die Risiken auf dem Dach und damit seine ihm grundsätzlich obliegende Verkehrssicherungspflicht ignoriert hat.

In Zweifelsfällen empfiehlt es sich, zumindest Warnschilder an der Strasse aufzustellen, sofern eine Beseitigung der Schneemassen auf den Dächern nicht zeitnah möglich sein sollte, um so zumindest ein Mitverschulden des eventuell Geschädigten zu begründen.