Recht & Urteil

D&O-Schaden: Fristlose Kündigung vs. Weiterbeschäftigung

Während bei D&O-Schadenfällen meist eine „Zero Tolerance“-Philosophie in den Unternehmen vorherrscht, also eine sofortige Trennung von dem Geschäftsführer oder Vorstand erfolgt, dem ein fehlerhaftes Handeln vorgeworfen wird, gibt es durchaus auch Fälle, in denen ein Unternehmen mehr Verständnis für einen Fehler eines ansonsten geschätzten Geschäftsführers aufbringt und trotz eines vorwerfbaren Verstoßes diesen weiterhin beschäftigen möchte.

Das QualitSofern dann jedoch die D&O-Versicherung eingeschaltet wurde, um den Schaden zu regulieren, traf das jeweilige Unternehmen auf größten Widerstand. In derartigen Fällen argumentierte der Versicherer meist damit, dass die Inanspruchnahme gar nicht ernstlich gemeint sei, da man gar nicht auf das Vermögen des Schädigers zugreifen sondern lediglich den Versicherungsfall auslösen wolle, mit der Konsequenz der Versagung des Versicherungsschutzes. Diese Auffassung fand auch eine Stütze in der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, welches in einer vielbeachteten Entscheidung diese Sicht des Versicherers sich zueigen machte (OLG Düsseldorf VersR 2013, 1522; Urteil vom 12.07.2013 Az.: I-4 U 149/11).

Diesen „Notausgang“ für den Versicherer hat der BGH jedoch jüngst versperrt (BGH, Urteil vom 13.04.2016, Az.: IV ZR 304/13; r+s 2016, 293ff.). In diesem Fall hatte die Klägerin, eine in Polen geschäftsansässige GmbH, die im Rahmen der von der deutschen Muttergesellschaft gehaltenen D&O-Versicherung mitversichert war, den beklagten Versicherer aus einem abgetretenen Deckungsanspruch ihres geschäftsführenden Vorstandsmitglieds auf Zahlung von Schadenersatz in Anspruch genommen. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos, bis der BGH mehr Verständnis für das Begehren der Klägerin zeigte.

Während das OLG seine Entscheidung in erster Linie auf die mangelnde Ernstlichkeit der Inanspruchnahme des Vorstands gestützt hatte, wurde die Klagabweisung von dem erstinstanzlich angerufenen Landgericht noch auf die Unwirksamkeit der Abtretung des Deckungsanspruches an die Klägerin gestützt. Beide Sichtweisen lehnte der BGH jedoch ab und schloss sich in seiner Argumentation der herrschenden Meinung, der zufolge auch ein Unternehmen als Versicherungsnehmer einer D&O in Innenhaftungsfällen als geschädigter Dritter im Sinne des § 108 Abs. 2 VVG anzusehen sei, an (BGH r+s 2016, 293,294 m.w.N.). Demzufolge stünde ein in den AVB geregeltes Verbot der Abtretung des Freistellungsanspruchs vor seiner endgültigen Feststellung der Abtretung an die geschädigte Versicherungsnehmerin nicht entgegen. Die Gegenauffassung, Dritter im Sinne des Abtretungsverbots könne nur sein, wer außerhalb des Versicherungsverhältnisses stünde, da anderenfalls die Missbrauchsgefahr aus einem kollusiven Zusammenwirken der Parteien zu groß sei, ließ der BGH nicht gelten und begründete seine Rechtsauffassung u.a. mit der Regelung des § 108 Abs. 2 VVG, welcher die Abtretung eines Deckungsanspruches an den geschädigten Dritten ausdrücklich billigt.

Demgegenüber hatte das OLG argumentiert, mit der anwaltlichen Inanspruchnahme sei eine bedingungsgemäße Inanspruchnahme des Vorstands im Sinne des Claims-Made-Prinzips nicht verbunden, da man gar nicht beabsichtigt habe, diesen persönlich in Anspruch zu nehmen. Dies sah der BGH jedoch anders und führte aus, grundsätzlich stünde es dem Gläubiger eines Haftpflichtanspruchs frei, ob und inwieweit er den Schädiger in Anspruch nehmen wolle. Da bei hohen Schäden das Privatvermögen häufig nicht ausreiche, um den Schadenersatzanspruch aus eigenen Mitteln zu erfüllen, stehe es der Eintrittspflicht des Versicherers nicht entgegen, wenn die Inanspruchnahme primär unter dem Aspekt erfolge, auf dem Vollstreckungswege Zugriff auf den Deckungsanspruch des Schädigers gegen seinen Haftpflichtversicherer zu erhalten. In diesem Zusammenhang bemühte der BGH auch die Sozialbindung der Haftpflichtversicherung, deren Zweck es gerade sei, in Fällen unzureichender privater Leistungsfähigkeit des Schädigers den Geschädigten zu schützen und führte in diesem Zusammenhang auch die gesetzliche Regelung der §§ 108 bis 110 VVG ins Feld (BGH a.a.O., 295 m.w.M.).

Ausdrücklich trat der BGH auch der Ansicht des OLG, die dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen setzten als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein weitergehendes und eigenständiges Erfordernis der Ernsthaftigkeit des Vorsatzes voraus, den Schädiger auch persönlich in Anspruch nehmen zu wollen, entgegen.

Die Entscheidung des BGH ist uneingeschränkt zu begrüßen, insbesondere die Klarstellung, dass die bezweckte Eröffnung der Zugriffsmöglichkeit auf den Deckungsanspruch des Schädigers gegen seinen Haftpflichtversicherer kein treu- oder sittenwidriges Vorgehen im Sinne der §§ 242, 138 BGB darstellt. Ein kollusives Handeln der Parteien zum Nachteil des Versicherers, welches die Versicherungsleistung ausschließen würde, .sieht der BGH konsequenterweise erst dann, wenn der Schadenersatzanspruch der Klägerin tatsächlich nicht oder jedenfalls nicht in der behaupteten Höhe bestanden hätte. Da das OLG dazu keine Feststellungen getroffen hatte, verwies der BGH den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung zurück.

Diese Entscheidung trägt auch dem Umstand Rechnung, dass beileibe nicht jeder einen Schadenersatzanspruch des Unternehmens gegenüber dem Organ begründende Verstoß so gravierend ist, dass dieser das erforderliche Vertrauensverhältnis soweit zerrütten würde, dass eine sofortige Trennung unausweichlich wäre.tsmanagementsystem der AVW wurde nach DIN EN ISO 9001:2008 zertifiziert.