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Betriebliche Altersversorgung: EU-Mobilitäts-Richtlinie: Handlungsbedarf für ausgeschiedene Anwärter

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz hat am 07. Juli 2017 die letzte parlamentarische Hürde genommen und wird zum 01. Januar 2018 in Kraft treten. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie gibt es bereits verabschiedete Änderungen in der betrieblichen Altersversorgung (bAV), die teilweise schon in Kraft getreten sind und im Wesentlichen zum 01.01.2018 in Kraft treten werden. Sven Körner, Experte für den Bereich betriebliche Altersversorgung, hat alle aktuellen Änderungen geprüft.

Herr Körner, welches Ziel wird mit der EU-Mobilitäts-Richtlinie verfolgt?

Sven Körner: Die EU-Mobilitäts-Richtlinie enthält Mindestvorschriften, die die Mobilität der Arbeitnehmer zwischen den EU-Mitgliedstaaten erhöhen soll. Die Änderungen gelten aber auch bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb Deutschlands. Derzeit stellt ein Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung oftmals ein Hindernis für einen Arbeitgeberwechsel (=Mobilität) dar, besonders, wenn sich der neue Arbeitsplatz in einem anderen Staat befindet. 

Die Richtlinie musste in deutsches Recht umgesetzt werden. Abweichend von der EU-Richtlinie erfolgt hierbei keine Differenzierung zwischen Ansprüchen aus Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung.

Müssen alle Änderungen in der betrieblichen Altersversorgung ausnahmslos umgesetzt werden? 

Einige Punkte geben tatsächlich keinerlei Handlungsspielraum. Dazu gehören beispielsweise die erleichterten Bedingungen für die Unverfallbarkeit (Vollendung des 21. Lebensjahres, dreijährige Zusagedauer), die Einschränkungen bei Abfindungen von Kleinstanwartschaften und die erweiterten Auskunftspflichten.

Und welche Änderungen bieten noch Handlungsspielräume?

Ein Punkt, der kurzfristig geprüft werden sollte, ist die Dynamisierung von Anwartschaften ausgeschiedener Anwärter. Nach dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie dürfen ausgeschiedene Arbeitnehmer im Hinblick auf den Wert der unverfallbaren Anwartschaft nicht schlechter gestellt werden als vergleichbare aktive Arbeitnehmer. Das gilt allerdings nur für Beschäftigungszeiten ab dem 01.01.2018 und nur dann, wenn das Versorgungssystem nicht vor dem 20.05.2014 für neue Arbeitnehmer geschlossen war.

Was ist mit Versorgungregelungen, die zwar vor dem 20.05.2014 geschlossen, aber nachträglich geändert wurden?

In solchen Fällen empfiehlt es sich, eine rechtliche Prüfung vorzunehmen. Denn ob ein Versorgungswerk zum 20.05.2014 geschlossen war, ist tatsächlich nicht in jedem Fall einfach zu beurteilen. Zweifelsfälle können auch entstehen, wenn gleichlautende Einzelzusagen vor und nach diesem Stichtag erteilt wurden.

Sind alle Zusagen von der Dynamisierung betroffen?

Nein. So gilt nach § 2a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BetrAVG eine Benachteiligung als ausgeschlossen, wenn die Anwartschaft beispielsweise als nominales Anrecht festgelegt ist oder eine Verzinsung enthält, die auch dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer zugutekommt. Festbetrags- und beitragsorientierte Zusagen sind daher in der Regel nicht betroffen.

Und wenn die Versorgungsleistungen von den letzten Bezügen abhängen?

In diesem Fall besteht wiederum eine Dynamisierungspflicht.

In welchen weiteren Fällen kann die Dynamisierungspflicht eintreten?

Zum Beispiel bei Direktversicherungs- und Pensionskassenzusagen, die eine reine Risikoabsicherung für den Todes- oder Invaliditätsfall vorsehen. Dies hängt von der Gestaltung der Zusage ab. Hier empfehlen wir eine rechtliche Prüfung.

Welche Möglichkeiten gibt es, um die Anwartschaften ausgeschiedener Anwärter anzupassen?

§ 2a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BetrAVG sieht verschiedene Möglichkeiten vor, bei denen eine Benachteiligung ausgeschlossen ist. Mögliche Anpassungen wären:

  • um 1 % jährlich; 

  • wie die Anwartschaften oder die Nettolöhne vergleichbarer nicht ausgeschiedener Arbeitnehmer; 

  • wie die laufenden Leistungen, die an die Versorgungsempfänger des Arbeitgebers erbracht werden; 

  • entsprechend dem Verbraucherpreisindex für Deutschland. 

Es empfiehlt sich, die Anpassungsregelung in der Zusage festzulegen. Sofern die Anpassung um 1 % jährlich gewählt wird, würde eine verbindliche Festlegung in der Zusage auch die Möglichkeit bieten, diese Erhöhungen bereits in der Steuerbilanz zu berücksichtigen. Da die Versorgungsanwärter zudem ein Recht auf die Information über die Dynamisierungsregelung haben, bietet es sich an, hier frühzeitig klare Verhältnisse zu schaffen.

Lässt sich die Dynamisierungspflicht auch komplett vermeiden?

Das ist durch eine rechtzeitige Planumstellung in der Tat denkbar. Wird mit einem Umstellungsstichtag noch im Jahr 2017 beispielsweise der zukünftig erdienbare Teil auf eine beitragsorientierte Leistungszusage umgestellt, so entfällt eine weitergehende Dynamisierungspflicht, weil die beitragsorientierte Zusage ja bereits eine Verzinsung auch für ausgeschiedene Anwärter enthält.

Welche Vorgehensweise empfehlen Sie jetzt konkret?

Sofern noch eine endgehaltsabhängige Versorgungszusage existiert, sollte nun kurzfristig eine solche Planumstellung geprüft werden. Die Zeit drängt, denn um eine Dynamisierungspflicht gänzlich zu vermeiden, ist ein Umstellungsstichtag noch im Jahr 2017 notwendig. Hier sollte keine Zeit verloren werden – insbesondere sollte nicht erst abgewartet werden, welche gesetzlichen Änderungen uns das Betriebsrentenstärkungsgesetz zum 01.01.2018 noch bringen wird.

Vielen Dank, Herr Körner, für das Gespräch und Ihre Hinweise zum Thema bAV.