Recht & Urteil

Baugruben und Nachbarschäden

Dass ein Bauvorhaben auf einem benachbarten Grundstück nicht unbedingt die Wohnqualität verbessert wird jeder bejahen, den schon einmal des Morgens in aller Frühe Bagger, Presslufthämmer und ähnliche Gerätschaften aus dem Bett geworfen haben. Nicht in jedem Fall führen die Bauarbeiten jedoch zu solchen Schäden an der eigenen Immobilie, dass in der Folge die Gerichte bemüht werden, wie im vom Oberlandesgericht (OLG) München entschiedenen Fall geschehen (OLG München, Urteil vom 26. Juni 2012; Az.: 13 U 4950/11).

 

Hier waren im Gefolge des Aushubs einer Baugrube erhebliche Setzungsrisse am benachbarten Gebäude aufgetreten, um deren Ursache von den Parteien heftig gestritten wurde. Während der Kläger als Eigentümer der Bestandsimmobilie die Auffassung vertrat, zu den Setzungsrissen an seiner Immobilie sei es aufgrund der Ausschachtungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück gekommen, vertrat der beklagte Bauherr die Auffassung, die Setzungsrisse seien schon vorher vorhanden gewesen. Im Übrigen habe es sich bei dem fraglichen Sommer des Jahres 2003 um einen „Jahrhundertsommer“ gehandelt, so dass die Setzrisse auch auf das Absinken des Grundwasserspiegels zurückgeführt werden könnten.

Während das erstinstanzlich angerufene Landgericht (LG) München der Klage noch insoweit stattgab, als es die Beklagte verurteilte, für diejenigen Schäden, die ihre Ursache in der Absenkung des klägerischen Gebäudes aufgrund des Baugrubenaushubs auf dem Grundstück haben, ersatzpflichtig zu sein, wies das von beiden Parteien angerufene OLG die Klage insgesamt ab. Im Laufe des Prozesses wurden mehrere Sachverständige gehört. Schlussendlich stellte sich das OLG auf den Standpunkt, dass zwar eine Mitursächlichkeit des Baugrubenaushubs zur Begründung eines Schadenersatzanspruches ausreichen würde. Ein Zurechnungszusammenhang sei auch gegeben, wenn die Handlung des Schädigers den Schaden nicht allein sondern nur im Zusammenwirken mit anderen Ursachen herbeigeführt habe, ein Fall der sogenannten Doppelkausalität. Erforderlich sei aber, dass der Kläger zumindest einen Verursachungsanteil durch den Baugrubenaushub nachweisen könne.

Als Ergebnis der umfänglichen Sachverständigenanhörung kam das OLG München schließlich zu dem Ergebnis, dass primär drei Ursachen für die Setzungen des klägerischen Hauses in Betracht kämen, nämlich eine Inhomogenität des Grund und Bodens, Baugrubenaushub sowie ein Absinken des Grundwasserspiegels. Da der Kläger beweispflichtig sei, welches von diesen Ereignissen kausal für den Schaden gewesen sei, wies das Gericht die Klage letztlich ab, da sich der jeweilige Verursachungsanteil von den Sachverständigen nicht habe beziffern lassen. Da nämlich nicht jede der drei in Betracht kommenden Ursachen für sich allein betrachtet das gesamte Schadenbild verursacht habe, sondern dies nur im kumulativen Zusammenwirken aller Ursachen entstanden sei, komme hier nur eine anteilige Haftung der Beklagten analog $§ 254 Abs. 1 BGB in Betracht. Da eine derartige Quantifizierung des Verursacherbeitrages aber nicht gelungen sei, falle dies dem insoweit beweispflichtigen Kläger zur Last, so dass die Klage folglich abgewiesen wurde. Diese Entscheidung ist natürlich insbesondere für den Kläger mehr als unbefriedigend, der auf seinem Schaden sitzenbleibt, weil die Sachverständigen nicht in der Lage sind, herauszufinden, wie die jeweiligen Kausalfaktoren zum Eintritt des Schadens zusammengewirkt haben.

In der Praxis ist es somit für Nachbarn einer mit Ausschachtungsarbeiten verbundenen Baumaßnahme unerlässlich, vor Beginn der Bauarbeiten eine Beweissicherung durch einen Sachverständigen vorzunehmen, um im Streitfall den Verursachungsbeitrag der Bauarbeiten gegebenenfalls dokumentieren zu können.

Aber auch für den Beklagten ist es unabdingbar, im Streitfall zumindest eine Haftpflichtversicherung auf seiner Seite zu haben, deren Aufgabe ja nicht zuletzt in der Abwehr unberechtigter Ansprüche liegt. Nicht bewusst dürfte vielen Versicherungsnehmern jedoch sein, dass derartige nachbarrechtliche Ansprüche gemäß §§ 906, 1004 BGB in aller Regel vom Deckungsumfang einer Haftpflichtversicherung ausgeschlossen sind. Dennoch gibt es spezielle Bedingungswerke, die durch Einschluss nachbarrechtlicher Ansprüche gemäß §§ 904, 1006 BGB einschlägigen Versicherungsschutz bieten. Diese sind jedoch nur über spezialisierte Anbieter, welche die Risiken ihrer Klientel genau kennen, zu erhalten.