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Anzeigepflichten bei D&O-Versicherungen: Bundesgerichtshof entscheidet über Wirksamkeit von VVG-Regelungen

Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter und Leitende Angestellte (englisch Directors and Officers Liability und daher abgekürzt D&O) ist seit den 90er Jahren auf dem deutschen Markt. Jetzt hat sich der Bundesgerichtshof mit dieser Haftpflichtversicherung beschäftigt (Aktenzeichen IV ZR 171/11) – speziell mit dem Thema der Anzeigepflichten.

Kläger war ein Aufsichtsratsmitglied einer Molkerei, die als Aktiengesellschaft (AG) betrieben wird. Diese AG hatte unter anderem auch für die Aufsichtsratsmitglieder eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (D&O-Police) abgeschossen. Nach der Übernahme der Molkerei durch ein anderes Unternehmen gab es Schwierigkeiten mit der Versicherung.

  
Schadenersatzforderung nach Wechsel der Aktienmehrheit

Im Oktober 2007 nämlich war die Mehrheit der Molkerei-Aktien von einem anderen Unternehmen übernommen worden. Davon erhielt die Versicherung allerdings erst im März 2008 durch ein Schreiben der Molkerei Kenntnis. Bereits im Dezember 2007 aber waren das Aufsichtsratsmitglied und andere Führungskräfte von der neuen Unternehmensführung der Molkerei auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von insgesamt 4,5 Millionen Euro in Anspruch genommen worden. Begründet wurde diese Forderung damit, dass der Aufsichtsrat an Verlust bringenden Geschäften mitgewirkt habe. Über diese Forderung war die Versicherung beizeiten informiert worden. Am 28. Januar 2008 schrieb sie das Aufsichtsratsmitglied an und forderte es auf, zu den erhobenen Vorwürfen eine persönliche Stellungnahme abzugeben. In einem zweiten Schreiben etwa einen Monat später wiederholte die Versicherung diese Forderung und verwies das Aufsichtsratsmitglied auf eine drohende Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Auskunftsobliegenheit. Der Kläger wandte sich daraufhin an die Versicherungsgesellschaft und wollte anwaltliche Hilfe zur Fertigung der Stellungnahme in Anspruch nehmen. Ob die Versicherung die Übernahme der Kosten mündlich verweigerte, blieb im Prozess streitig. Jedenfalls beauftragten der spätere Kläger sowie weitere Mitglieder des Aufsichtsrates einen Rechtsanwalt, der in einem Schreiben vom Mitte März 2008 die Schadenersatzforderungen der Molkerei zurückwies. Letztlich verfolgte die Molkerei diese Ansprüche nicht mehr weiter.


Jetzt ging es aber noch um die Begleichung der Honorarrechnung des Anwaltes. Die Versicherung verweigerte die Zahlung unter Hinweis auf ihre Vertragsbedingungen, nach denen der Versicherungsschutz mit Beginn des neuen Beherrschungsverhältnisses automatisch erlischt. Außerdem bestritt sie die Höhe der geltend gemachten Honorarforderung. Der Rechtsstreit, der daraufhin folgte, zog sich bis zum Bundesgerichtshof (BGH) hin. Und dort obsiegte der Kläger mit seinem Revisionsbegehren.
     

BGH: VVG-Paragrafen in diesem Fall nicht ausschlaggebend

Die Vorinstanz hatte noch damit argumentiert, dass die Gefahrenerhöhung für die Versicherung durch den Beherrschungswechsel bei der AG der Versicherung unverzüglich hätte angezeigt werden müssen - also noch im Oktober 2007. Da der Versicherungsfall aber erst im Dezember eingetreten sei, sei die Versicherung leistungsfrei gemäß Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Der BGH dagegen vertrat die Auffassung, die entsprechenden Paragrafen des VVG seien in diesem Fall nicht anwendbar. Selbst wenn durch den Wechsel in der Beherrschung eine Gefahrerhöhung eingetreten sein sollte, enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherungsgesellschaft abschließende Regelungen, die für die Molkerei günstiger seien als die VVG-Regelungen. Deshalb dürfe nicht auf das VVG zurückgegriffen werden. Da es allerdings noch Unklarheiten zur Frage der Beauftragung eines Rechtsanwaltes sowie zu dessen Honorarforderung gab, wurde die Angelegenheit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 
Kein Zurück auf die gesetzliche Ausgangslage

Wolf-Rüdiger Senk, Bereichsleiter Versicherungsrecht/Schadenmanagement der AVW Gruppe: „Die Rechtsauffassung des BGH ist bemerkenswert. Denn hier wird festgeschrieben, dass es im Schadenfall kein Zurück zur gesetzlichen Ausgangslage gibt, wenn die Allgemeinen Versicherungsbedingungen wie in diesem Fall günstigere, abschließende Regelungen enthalten!“
Über weitere aktuelle Urteile und Themen zur D&O-Versicherung informieren wir Sie auf unserer D&O-Veranstaltung „Compliance und Managerhaftung“ am 13. Juni in Hamburg.